Medienbranche

ProSiebenSat.1 hat gleich zwei Verehrer

Media for Europe, besser bekannt als Mediaset, vergrößert Stück für Stück das Aktienpaket an dem deutschen Fernsehkonzern. Und auch RTL zeigt ein besonderes Interesse an dem direkten Konkurrenten.

ProSiebenSat.1 hat gleich zwei Verehrer

Von Joachim Herr, München

Die Avancen schmeicheln dem Umworbenen. Dass der italienische Medienkonzern Media for Europe (MFE), besser bekannt unter dem früheren Namen Mediaset, seinen Anteil an ProSiebenSat.1 langsam, aber stetig aufstockt, gefällt Rainer Beaujean: „Das ist für uns gut, weil es zeigt, dass Leute, die von diesem Geschäft sehr viel verstehen, viel Vertrauen in uns haben“, sagte er am vergangenen Donnerstag in der Bilanzpressekonferenz.

Tags darauf gab MFE bekannt, eine Genehmigung des Bundeskartellamts beantragt zu haben, um den Aktienanteil über 25% aufstocken zu können. Zuletzt hatte das Unternehmen der Familie Berlusconi seine Stimmrechte auf 21,6 % erhöht (siehe Grafik). Und auch RTL wirft ein Auge auf den hiesigen Konkurrenten, Vorstandschef Thomas Rabe findet Gefallen an einer Fusionsidee.

Das Verhältnis von MFE zu ihrem Investitionsobjekt ist allerdings von Beginn an ungewöhnlich. Im Mai vor drei Jahren hatte Mediaset mit der Mitteilung überrascht, sich 9,6 % der Aktien von ProSiebenSat.1 gesichert zu haben. Mit Hilfe anderer Käufer konnten die Meldeschwellen von 3 und 5 % umgangen werden.

Beaujeans Vorgänger Max Conze wertete den Einstieg damals zwar auch als Vertrauensbeweis in die Strategie von ProSiebenSat.1, blieb aber skeptisch: „Ich erkenne keine industrielle Logik in einer Übernahme.“ Bis heute sind die Pläne von MFE unklar. Ob eine Übernahme geplant wird, ist offen. Der Vorstandsvorsitzende Pier Silvio Berlusconi spricht immer wieder davon, europäische Medienunternehmen müssten ihre Kräfte vereinen, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Größte Konkurrenten sind aus seiner Sicht Internetkonzerne und Streaming-Anbieter wie Google, Amazon und Netflix. Rabe sieht das ähnlich.

„Sehr klare Strategie“

Beaujean zeigt sich zwar aufgeschlossen für weitere Kooperationen, aber auch voller Selbstvertrauen in das eigene Geschäft. „Wir verschließen uns nie, sind offen für jede Idee und diskutieren die auch“, sagt er. Ein konkretes Konzept von MFE kennt aber auch er offenbar nicht. Und er betont: „Wir haben eine sehr klare Strategie.“ ProSiebenSat.1 konzentriert sich auf Deutschland, Österreich und die Schweiz, Live-Unterhaltung und verstärkt lokale Inhalte und nutzt Synergien der Fernsehwerbung mit dem Online-Geschäft – vom Parfum-Anbieter Flaconi bis zu den Dating-Plattformen der Parship-Meet-Gruppe.

Wie ließe sich dieses Geschäft im italienischen oder spanischen Markt nutzen, fragt man sich in Unterföhring bei München, dem Sitz von ProSiebenSat.1. Zudem gibt es ja eine Kooperation in der European Media Alliance, an der außer ProSiebenSat.1 und MFE unter anderem TF1 in Frankreich beteiligt ist. Da geht es etwa um europäische Standards für Werbung. MFE kann sich jedoch noch mehr vorstellen, einen Verbund zum Beispiel für europaweite Programme und den Einkauf von Sportrechten, wie zu hören ist.

Mit Blick auf die Konkurrenz hält Beaujean weniger Netflix & Co. für die härtesten Widersacher, sondern Google und Facebook, wenn es um Werbeerlöse geht. Die Internetgiganten bräuchten aber Inhalte der Medienunternehmen, fügt er hinzu. Insofern sieht der Vorstandschef ProSiebenSat.1 in einer relativ komfortablen Lage. Ohnehin schöpft er Zuversicht aus der Tatsache, dass der deutsche Fernsehkonsum mit durchschnittlich 209 Minuten am Tag tendenziell nur leicht sinkt. „Allen Unkenrufen zum Trotz ist Fernsehen quicklebendig“, sagt Beaujean. „Wir schaffen die Lagerfeuermomente.“

RTL- und Bertelsmann-Chef Rabe beobachtet die amerikanische Konkurrenz nicht so entspannt wie Beaujean, vor allem auf längere Sicht. Er wirbt deshalb seit zwei Jahren immer wieder für die Idee nationaler Champions in den europäischen Fernsehmärkten. In Deutschland könnte aus Rabes Sicht ein solcher Primus mit einem Zusammengehen von RTL und ProSiebenSat.1 entstehen.

Beaujean gibt sich gelassen: „Wir brauchen in diesem Markt, um zu gewinnen, keine Hilfe.“ Rabe deutet an, dass ein Zusammenschluss für RTL kein eiliges Thema wäre – ohnehin läuft gerade die Fusion mit dem Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr – und wartet ab, wie die Aufsicht in Frankreich und den Niederlanden über die dort angestrebten Fusionen entscheidet. Generell ist Rabe der Ansicht, das Wettbewerbsrecht müsse berücksichtigen, dass sich die Werbe- und Medienmärkte wegen der US-Konzerne verändert haben.

„Eindeutige Gesetzeslage“

Beaujean glaubt, ein Zusammenschluss von RTL und ProSiebenSat.1 wäre auch in einigen Jahren chancenlos. „Es ist nicht möglich“, betont er. „Da ist die Gesetzeslage eindeutig.“ Der Vorstandschef nennt nicht an erster Stelle das Wettbewerbsrecht, sondern den Medienstaatsvertrag der 16 Bundesländer. Zusammen haben die Sender beider Gruppen einen Anteil von rund 80 % am deutschen TV-Werbemarkt und von rund der Hälfte am Zuschauermarkt. Die Konzentration wäre erheblich.

Beaujean hebt zudem die Bedeutung der Meinungsvielfalt hervor und gibt noch einen Beleg für sein Selbstbewusstsein: ProSiebenSat.1 mache ganz anderes Fernsehen als RTL. „Wir haben jüngere Zielgruppen.“ Er erinnert voller Stolz an ein Interview mit der Kanzlerkandidatin der Grünen im Bundestagswahlkampf 2021: „Annalena Baerbock hatte ihren ersten Auftritt bei uns.“

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