Autovermieter

Rivalen im Oligopol

Die Autovermieter befinden sich wie die Pkw-Hersteller in einer digitalen Transformation. Im Wettstreit um die Führung in Europa hat der kleinere Herausforderer Sixt einen Vorsprung vor Europcar.

Rivalen im Oligopol

Die Coronakrise ist mit voller Wucht zurückgekehrt. Die Hoffnung der Anleger, dass die 2020 vom Ausbruch der Pandemie stark gebeutelten Autovermieter ihren im Sommer gestarteten Erholungskurs mit gleicher Dynamik fortsetzen können, ist geplatzt. Die Furcht macht sich breit, dass die wohl gefährlichere Omikron-Virusvariante der Weltwirtschaft im Allgemeinen und der Reisetätigkeit im Besonderen einen abermaligen Dämpfer erteilt. Seit ihrem Höchststand von Anfang November hat die Stammaktie von Sixt fast zwei Fünftel eingebüßt.

Der Rückschlag dürfte sich auf längere Sicht als Episode in einer Branche erweisen, die ohnehin von Zyklen geprägt ist. Denn je schneller vor allem die Industriestaaten die Seuche mit Impfkampagnen erfolgreich bekämpfen können, desto rascher dürfte das Omikron-Kapitel beendet sein und die Wirtschaft zu ihrem Wachstumspfad zurückkehren. Mehr denn je zeigt sich derzeit, wie konjunktursensibel der Pkw-Vermietsektor ist.

Zugleich beschleunigen die Folgen von Covid-19 den strukturellen Umbruch im Mobilitätsdienstleistungszweig. Die Online-Aktivitäten nehmen rasant zu. Die Anbieter müssen mit diesem Wandel mitgehen beziehungsweise diesen forcieren, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Denn das Kerngeschäft allein ist unzureichend, um Marktanteile zu verteidigen oder bestenfalls diese auszubauen. Ohne App-basierte Zusatzangebote wie Carsharing, Mitfahrdienste und Abo-Modelle läuft heute fast gar nichts mehr. Vor allem die großen Anbieter haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie erweitern ihre Aktivitäten in einem Transformationsprozess. Allerdings sind ihre Startvoraussetzungen unterschiedlich.

Das zeigt sich insbesondere bei den Rivalen Sixt und Europcar. Das familiengeführte börsennotierte Unternehmen aus Pullach bei München setzt mit einer verjüngten Konzernführung konsequent auf ein Digitalisierungskonzept. Die Doppelspitze aus den Brüdern Alexander und Konstantin Sixt investiert Millionen in die Expansion des digitalisierten Firmenauftritts und des Stationsnetzes in den westeuropäischen und nordamerikanischen Tourismushochburgen. Dadurch versuchen sie, Wettbewerbern Marktanteile abzujagen und neue, jüngere Kundengruppen zu erschließen. Diese Ausrichtung ist aus Sicht von Investoren insofern überzeugend, als sie auf einer kernsoliden Bilanz basiert. Dadurch konnte das mittelständisch geprägte Unternehmen die ersten Corona-Schockwellen besser meistern als Europcar. Der bereits vor Ausbruch der Pandemie bilanziell geschwächte französische Anbieter war gezwungen, im Rahmen einer Rekapitalisierung gegenzusteuern, um wieder Fuß zu fassen. Das gelang. Es verdeutlichte aber, dass der Konzern mit Sitz in Paris viel anfälliger ist gegenüber externen Schocks als der Herausforderer aus Bayern.

Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, dass Europcar nach 15 Jahren wieder bereitwillig unter das Dach von Volkswagen schlüpft. Europas größter Autohersteller greift nach einem Unternehmen, welches viel Nachholbedarf hat in der Neuausrichtung. Zugleich passt Europcar in das Konzept des Mehrmarkenkonzerns aus Wolfsburg, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, als softwarebasierter Elektrofahrzeugproduzent nach dem Vorbild von Tesla den Markt aufzurollen. Europcar könnte als Vertriebskanal für diese Strategie dienen.

Das ist aber ein teures Unterfangen. Schließlich verschlingt die aufwendige Integration von IT-Systemen viel Geld und bindet Kapazitäten. Das könnte sich als Nachteil in einem Segment erweisen, dessen Umbau von einem hohen Tempo geprägt ist. Jene Unternehmen, die dabei schon die Nase vorn haben, haben bessere Chancen, als Gewinner hervorzugehen, als jene, die hinterherhinken. Die Digitalisierung beschleunigt somit den Verdrängungswettbewerb im Autovermietmarkt, der bereits seit Jahren zu beobachten ist. Kleinen, lokalen Anbietern fällt es immer schwerer, ihren Fortbestand zu sichern. Ihnen fehlen ausreichend finanzielle Mittel, um mithalten zu können. Der Konsolidierungsdruck wird noch größer.

Diese Entwicklung führt dazu, dass sich die oligopolistische Struktur in der Branche verfestigt. Beispiel Europa: Nur wenige Anbieter teilen den Kuchen unter sich auf. Auf dem Alten Kontinent dominieren die fünf größten Adressen vier Fünftel des Marktes. Platzhirsch mit geschätzten 25% Marktanteil ist nach wie vor Europcar, Sixt steht mit 15% auf Platz 4. Im Wettstreit um die Führung holt der SDax-Wert aber deutlich auf. VW steht unter Zugzwang. (Börsen-Zeitung, 3.12.2021)

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