Investments

Schäppchen­jäger auf Spaniens Immobilien­­markt

Nach dem langen Lockdown in Spanien mussten viele Unternehmen Aktiva veräußern, um überleben zu können. Das lockt internationale Investoren an, die auf günstige Immobilienpreise aus sind.

Schäppchen­jäger auf Spaniens Immobilien­­markt

Von Thilo Schäfer, Madrid

Nach dem im Lockdown verlorenen Sommer 2020 ist Spaniens Tourismusbranche dieses Jahr mit einem blauen Auge davongekommen. Dennoch stecken viele Unternehmen nach wie vor in ernsten Schwierigkeiten und müssen daher Aktiva veräußern. Das hat internationale Investoren auf den Plan gerufen, die in letzter Zeit zahlreiche große Immobilienpakete übernommen haben. Meliá etwa, die einzige Hotelkette im Schwergewichtsindex Ibex 35 der Madrider Börse, hat acht Hotels an eine Gruppe ausländischer Investoren verkauft. Auch die ebenfalls börsennotierte NH trennte sich von Aktiva, während Riu andersherum die Beteiligungen der angeschlagenen Tui an gemeinsamen Hotels übernahm.

Daneben haben internationale Finanzinvestoren derzeit in Spanien vor allem den Logistikbereich im Auge, der vom Boom des Online-Shopping profitiert. Der halbstaatliche Flughafenbetreiber Aena erfreut sich großen Interesses für eine Beteiligung von Finanzinvestoren an Logistikprojekten am Madrider Airport Barajas. Die auf Südeuropa spezialisierte Immobilienplattform Idealista glaubt, dass die Investitionen aus dem Ausland in Spanien dieses Jahr um 20% steigen und mit 12 Mrd. Euro ungefähr das Vorkrisenniveau erreichen werden.

Dank im Vergleich zu anderen Anlageformen attraktiven Renditen sind demnach „Built-to-Rent“-Projekte zum Bau von Mietwohnungen. Nach der pandemiebedingten Flaute hat sich der spanische Wohnungsmarkt wieder berappelt. Im Juni zählten die Notare mit 65 000 überraschend viele Immobilientransaktionen. Das entspricht nicht nur einem Plus von 70 % gegenüber dem Vorjahr, sondern liegt auch 41% über dem Vorkrisenniveau von 2019. Im Gesamtjahr wird das Wachstum indes mäßiger ausfallen. So rechnen die Analysten von Bankinter mit einem Anstieg der Wohnungsverkäufe von 10%, das „teilweise begünstigt durch die Rückkehr der ausländischen Käufer in der zweiten Jahreshälfte“ werde. Vor allem die Briten hatten sich nach dem Brexit und dem harten Lockdown zuletzt zurückgehalten bei Immobilienkäufen.

Viel Geld angespart

Die Rahmenbedingungen stimmen auf dem spanischen Markt. Die Konjunktur zieht nach dem zweistelligen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes im letzten Jahr wieder an. Die Volkswirte rechnen für 2021 mit einem Wachstum von mehr als 6 %. Im Gegensatz zur Finanzkrise nach 2008 hat der Arbeitsmarkt durch die Pandemie nicht so stark gelitten, was auch an dem eigens für diese Krise eingeführten Kurzarbeitergeld lag. Die Zinsen verharren auf Rekordtiefständen und Spaniens Banken gehen nach der Bereinigung ihrer Bilanzen bei der Hypothekenvergabe wieder in die Offensive. Hinzu kommt, dass viele Menschen in Spanien durch die langen Lockdowns viel Geld angespart haben, das sie nun ausgeben können.

„Die Pläne, die nach Ausbruch der Pandemie auf Eis gelegt wurden, werden nun wieder aufgenommen, was man bereits an den Statistiken der Transaktionen und Hypothekenvergabe sieht“, kommentiert Ferran Font vom Immobilienportal pisos.com. Im Vergleich zu anderen Märkten sind die Preise in Spanien zudem recht günstig. Für gebrauchte Wohnungen ermittelte das Portal im August einen nationalen Durchschnittspreis von 1 853 Euro pro Quadratmeter, ein Anstieg von gerade einmal 1,8% gegenüber 2020. Anders sieht es bei Neubauten aus. Durch die Erfahrungen aus dem harten Lockdown – in Spanien durfte man anfangs die eigenen vier Wände nur zum Einkaufen und für Arztbesuche verlassen – suchen viele Menschen nun größere Wohnungen mit Balkon oder Grünanlagen. „Der Preisdruck bei Neubauten ist höher, da es ein gesteigertes Interesse an mehr Platz, Außenbereichen und Gemeinschaftszonen gibt, aber das Angebot stockt, da auch die Baukosten gestiegen sind“, erklärt Font.

Idealista erstellt auf Grundlage der Daten des Immobilienportales einen eigenen Preisindex, der als sehr aussagekräftig gilt. Demnach stiegen die Preise für Alt- und Neubauten im August gegenüber dem Vorjahr um 5,2 % auf einen landesweiten Durchschnittswert von 1 825 Euro pro Quadratmeter. Den stärksten Anstieg verzeichneten dabei die Regionen Valencia (8,5 %) und Andalusien (8,3 %), an deren Mittelmeerküsten die Nachfrage nach Zweitwohnungen bei Spaniern wie bei Ausländern angezogen hat. Auch die Balearen und Kanaren erfreuen sich wieder großer Beliebtheit, wie auch die Metropolregion Madrid.

Das Interesse ausländischer Immobilienkäufer, deren Transaktionen zwischen 2009 und 2019 um 200% zugelegt hätten, habe keineswegs unter der Pandemie gelitten, heißt es in einer Idealista-Mitteilung. „Traditionell zieht das gute Klima die Nachfrage an, doch Faktoren wie das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen nun zusätzlich einen Umzug nach Spanien“, so die Experten.

Ähnlich wie in anderen Ländern hat sich der Mangel an bezahlbarem Wohnraum auch in Spanien verschärft, vor allem in den großen Ballungsgebieten. Die Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linken arbeitet derzeit an einem Gesetz für den Wohnungsmarkt. Das sieht unter anderem eine Deckelung der Mieterhöhung von 10 % bei neuen Vertragsabschlüssen in Gegenden vor, wo die Situation besonders angespannt ist. Die Maßnahme hat jedoch noch einen beschwerlichen Weg durch die parlamentarischen Instanzen vor sich.

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