KommentarBayer

Schluss mit Dividendensegen

Mit der Entscheidung, die Dividende für drei Jahre auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß zu kürzen, verabschiedet sich Bayer auch als verlässlicher Dividendenzahler.

Schluss mit Dividendensegen

BAYER

Schluss mit Seelenmassage

Von Annette Becker

Es ist richtig, dass Bayer dem zur Massage der geplagten Investorenseele gedachten Dividendentreiben ein Ende setzt.

Angesichts der hohen Verschuldung bei steigenden Finanzierungskosten zieht Bayer die Reißleine und kappt die Dividende drastisch. Statt der von Analysten erwarteten 2,00 Euro je Aktie sollen nur 0,11 Euro ausgekehrt werden. Im Prinzip eine vernünftige Entscheidung; denn dem Aktionär hilft es wenig, wenn an der vor Jahren formulierten Dividendenpolitik ungeachtet der dramatischen Randparameter festgehalten wird.

Die Dividendenpolitik stellte bislang auf das bereinigte Ergebnis je Aktie ab und ließ mithin Sonderlasten, die sich bei Bayer nicht selten im Milliardenbereich bewegen, unberücksichtigt. In den vergangenen Jahren wurde daher so manches Mal aus der Substanz ausgeschüttet. Bemerkenswerter noch: 2020 und 2021 wurde die Dividende nicht verdient, geschweige denn, dass sich die Ausschüttungssumme aus dem freien Cashflow hätte bestreiten lassen.

Bayer muss Ausgaben beschneiden

Von daher ist es zu begrüßen, wenn der neue Bayer-Chef Bill Anderson dem als Massage für die geplagte Investorenseele gedachten Treiben einen Riegel vorschiebt. Um die Bilanzrelationen wieder ins Lot zu bringen, führt an einschneidenden Ausgabenkürzungen kein Weg vorbei. Umgekehrt wirft die Kehrtwende in der Ausschüttungspolitik, so sachlich nachvollziehbar sie sein mag, aber auch Fragen auf: Warum hat Bayer im Sommer nach der ernüchternden Gewinnwarnung ohne Not beteuert, an der Dividendenpolitik festzuhalten? Welche Investoren waren es, die laut Bayer eine Umkehr in der Dividendenpolitik anregten? Und warum wird die Dividende nicht ganz gestrichen?

Auf Letzteres ist die Antwort im Aktiengesetz zu finden. Demnach steht dem Aktionär eine Mindestdividende zu, sofern die Ausschüttung die Existenz des Unternehmens nicht gefährdet. Behält das Unternehmen dennoch die Gewinne komplett ein, kann der Gewinnverwendungsbeschluss angefochten werden. So viel zu den „Anregungen von Investoren“, die den Vertrauensverlust am Kapitalmarkt spiegeln.

Kein Pappenstiel

Zum Umdenken dürften aber auch die Ratingagenturen beigetragen haben, zurrt Bayer die Minimalausschüttung doch gleich für die nächsten drei Jahre fest. Finanzschulden von mehr als 40 Mrd. Euro sind kein Pappenstiel, ganz abgesehen von den Zinskosten, die seit der Zinswende bei der Refinanzierung tiefere Löcher in die Kasse brennen und den finanziellen Handlungsspielraum weiter eingrenzen. „Der Status quo ist für Bayer schlicht keine Option“, hatte Anderson im November skandiert. Seit Montag ist diese Aussage um eine Interpretationsvariante reicher.

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