Kreditwirtschaft

Sparkassen­lager sucht den nächsten Präsidenten

Ende 2023 läuft die Amtszeit von Sparkassenpräsident Helmut Schleweis ab. Die Diskussion über die Nachfolge ist entbrannt. Es könnte auf einen Kandidaten aus Bayern hinauslaufen.

Sparkassen­lager sucht den nächsten Präsidenten

Wäre er nicht 68, sondern 58, würde die Verlängerung lautlos erfolgen. Dieser Überzeugung eines langgedienten hochrangigen Vertreters könnten sich viele im Sparkassenlager wohl anschließen. Denn mit der Arbeit von Helmut Schleweis an der Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) waren und sind bis heute viele Vertreter aus der roten Finanzgruppe hochzufrieden.

Daher mag man innerhalb der Gruppe, die mit einem Geschäftsvolumen von 3,3 Bill. Euro, 50 Millionen Kunden und 285000 Beschäftigten zu den größten der Welt gehört, auch gar nicht ausschließen, dass der Spätberufene aus Heidelberg über seine Ende kommenden Jahres ablaufende sechsjährige Amtsperiode hinaus DSGV-Präsident bleibt – zumindest für eine gewisse Zeit. „Unsere Organisation ist für jede Überraschung gut“, weiß der Manager aus den Erfahrungen seiner langen Vorstandstätigkeit in einem Großinstitut.

Die Diskussion in der Gruppe über die Spitzenpersonalie läuft auf Hochtouren – und sie bleibt auch dieses Mal nicht im Verborgenen. In einem Ende Oktober an die vier DSGV-Vizepräsidenten – Niedersachsens Sparkassenpräsident Thomas Mang, BayernLB-Chef Stephan Winkelmeier, Bundesobmann Walter Strohmaier und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe – adressierten Schreiben, das den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, macht sich Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags, für eine umgehende Verlängerung der Amtszeit von Schleweis „um zwei oder zweieinhalb Jahre“ stark. Das Ziel: Zeit gewinnen, um 2025 „einen Amtsnachfolger mit Mittel- und Langfristperspektive zu wählen“.

Alter als Kriterium

Laut Henneke, der seit 1997 dem DSGV-Vorstand angehört, geht es bei der Besetzung des Präsidentenamtes um kurzfristige wie um langfristige personelle Kontinuität. Aktuell dränge sich niemand auf, der fachlich, persönlich und charakterlich geeignet sei, und dem Antrittsalter früherer DSGV-Präsidenten wie Helmut Geiger, Georg Fahrenschon und Horst Köhler entspreche. Als Lösung verbiete sich, „einen ,voll im Saft stehenden‘, keine Anzeichen von Erschöpfung oder Amtsmüdigkeit zeigenden 68-jährigen Präsidenten durch einen auf dem Berliner und Brüsseler Parkett völlig unerfahrenen Kandidaten männlichen oder weiblichen Geschlechts auszutauschen, der oder die in der ersten Hälfte der 1960er Jahren geboren ist“. Dem 65 Jahre alten Funktionär, dem ein gutes Verhältnis zu Schleweis nachgesagt wird, gehe es darum, Unruhe in der Organisation zu vermeiden und das Amt des DSGV-Präsidenten nicht durch Postenschacherei zu beschädigen, so eine Stimme aus dem Sparkassenlager. An anderer Stelle werden jedoch auch persönliche Motive vermutet.

Auf breite Zustimmung in der Gruppe stößt der Vorschlag für eine Übergangslösung mit Schleweis indes nicht. Im Gegenteil: Die einflussreichen großen Sparkassenregionalverbände sind dem Vernehmen nach gegen eine Verlängerung mit dem amtierenden DSGV-Präsidenten. Schleweis wäre ein Präsident auf Abruf, er wäre „vom ersten Tag an beschädigt, weil alle wissen, mit dem muss man eigentlich nicht mehr reden, weil er nirgendwo mehr kraftvoll auftreten kann, wenn nach zwei Jahren der Richtige kommt“. Die Sorge lautet auch, es könne eine Hängepartie geben und der „Eindruck eines zerstrittenen Haufens“ entstehen, der die Nachfolge auf dem Präsidentenposten nicht regeln kann.

Einige Sparkassenfürsten halten die Zeit reif für einen Generationenwechsel: „Wenn ich höre, dass der Vertrag eines 68-Jährigen verlängert werden soll, wird mir angst und bange.“ Der Sparkassengruppe stürben die Kunden weg. Entscheidend sei, junge Kunden zu gewinnen. Das gelinge nicht mit einem Präsidenten im Rentenalter. „Im DSGV herrscht die Mafia der Mumien“, ätzt sogar ein Sparkassenvorstand. Und ein weiterer fügt hinzu, Schleweis’ Alter spreche erst recht gegen eine reguläre Verlängerung um sechs Jahre – auch wenn er Ende 2029 noch jung genug wäre, um US-Präsident zu werden, wenn er Amerikaner wäre. Fakt ist: Schleweis wäre am Ende seiner laufenden Präsidentschaft mit 69 Jahren der älteste aller acht bisherigen DSGV-Vorsteher seit 1953 zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Amt. Selbst Helmut Geiger, der mit 21 Jahren bis 1993 am längsten amtierende Sparkassenpräsident, war bei seinem Ausscheiden erst 65.

Integrationskraft gefragt

Zu künftigen Anforderungen für das Amt, die über die Altersfrage hinausgehen, äußern Vertreter aus der Finanzgruppe klare Vorstellungen. „Wir brauchen jemanden, der die Themen überblickt, der einen gewissen Grad an Souveränität und Verständnis für die komplexen Zusammenhänge mitbringt, der ein Herz für die Organisation und eine hohe Integrationsfähigkeit besitzt, weil das ja ein heterogener Club ist“, sagt ein Sparkassenchef. Die Fähigkeit, integrieren zu können, nennen einige als wichtigste Eigenschaft. Der amtierende Präsident, der 16 Jahre an der Spitze der Sparkasse Heidelberg stand und acht Jahre davon auch Bundesobmann der Sparkassenvorstände war, ehe er dem Ruf nach Berlin folgte, werde auch deshalb hoch geschätzt, weil er „die Gruppe gut zusammengehalten“ habe, so ein langjähriger Landesbanker. Es sei wenig an Streitigkeiten nach außen gedrungen.

Dass der DSGV-Präsident als „Herrscher mit begrenztem Land“ vergeblich für die Errichtung eines Spitzeninstituts warb, überwiege nicht die Verdienste von Schleweis, etwa um die innere Organisation der Gruppe. Die Interessen der Akteure im Sparkassenlager seien zu unterschiedlich. „Par ordre du mufti“ lasse sich eine solche Kräftebündelung in der dezentral aufgestellten Finanzgruppe nicht verordnen.

In den kommenden Jahren werde es darauf ankommen, so ein guter Kenner der Sparkassenorganisation, die Sichtbarkeit als Finanzierer zu erhöhen, wenn die im Zuge der aktuellen Krisen entstandene Omnipräsenz des Staates im Wirtschaftsleben „auf ein Normalmaß“ schrumpfe. Ferner müsse der künftige Amtsinhaber vor dem Hintergrund des politischen Ziels, die Bankenunion in Europa zu vollenden, Sparkasseninteressen in der Frage der Proportionalität der Aufsicht vertreten. Und schließlich gelte es die Gruppe mit ihrem digitalen Auftritt und „auf der Kostenseite so aufzustellen, dass sie fit ist“.

Dass unter den aktuellen Vorzeichen für den gut dotierten DSGV-Präsidentenposten auch externe Kandidaten zum Zuge kommen könnten, wird im Sparkassenlager zwar nicht ausgeschlossen. Zwei wurden in der Vergangenheit mit Horst Köhler und Georg Fahrenschon schon auf den Schild gehoben. Mit Jörg Kukies, der aktuell als persönlicher Beauftragter des Bundeskanzlers für die G7- und G20-Gipfel tätig ist und dem aus seiner Partei SPD und auch von Teilen der FDP Interesse entgegenschlagen soll, ist auch ein erster Name gefallen. Doch als wahrscheinlich gilt eine Lösung mit dem früheren Goldman-Sachs-Mann und dem einstigen Finanzstaatssekretär, dessen Rolle bei der Rettung der Nord/LB Ende 2019 in der Finanzgruppe noch in bester Erinnerung ist, aus verschiedenen Gründen nicht. Einer davon lautet, dass im Sparkassenlager interne Kandidaten bevorzugt werden – „weil die wissen, wie unsere Organisation tickt“.

Als so gut wie ausgeschlossen darf auch gelten, dass Anfang 2024 erstmals eine Frau die DSGV-Präsidentschaft übernimmt. Es gebe in der Finanzgruppe immer noch viel zu wenige Frauen in Spitzenpositionen, wird eingeräumt. Man habe aber immerhin gerade erst mit der Berufung der ehemaligen KPMG-Partnerin Karolin Schriever (44) in den geschäftsführenden Verbandsvorstand „ein gutes Zeichen“ gesetzt.

Unter den Kandidaten, die für den Spitzenposten in Berlin überhaupt in Frage kämen, ist mit Liane Buchholz zwar auch eine Frau. Jedoch herrscht offenbar Einigkeit darüber, dass es die seit 2017 amtierende Präsidentin des westfälisch-lippischen Sparkassenverbands (SVWL) in keinem Fall wird. „Das liegt nicht daran, dass sie Frau ist, sondern obwohl sie Frau ist“, bringt es ein Sparkassenchef auf den Punkt. Die frühere Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) habe zu viele in der Organisation schon vor den Kopf gestoßen. „Diplomatie ist nicht ihre Stärke“, heißt es andernorts. Damit reiht sich die 57-Jährige nahtlos in die Riege ihrer Vorgänger ein, die große Ambitionen hegten, jedoch nie ans Ziel gelangten. „Alle SVWL-Präsidenten waren so selbstbewusst unterwegs, dass sie nicht weiterkamen“, sagt einer, der es wissen muss.

Blick nach Bayern

Ein weiterer potenzieller Kandidat unter den regionalen Verbandsvorstehern wäre Michael Breuer, der den Rheinischen Sparkassen- und Giroverband (RSGV) leitet. Den 57-Jährigen soll es aber mit keiner Faser nach Berlin ziehen. So könnte das Rennen auf Ulrich Reuter zulaufen. Der seit Anfang 2021 amtierende Präsident des Sparkassenverbandes Bayern stünde bereit – dies zumindest entspräche seinem Ethos. Der 60-Jährige, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, hat Ambition und Flexibilität in seinem Leben immer wieder unter Beweis gestellt. Der ehemalige Verwaltungsfachangestellte hat teils berufsbegleitend studiert und es bis zum Rechtsprofessor an der Fachhochschule Aschaffenburg gebracht. Ebenfalls bemerkenswert: Als promovierter Jurist hätte er in der Deutschen Bank, bei der von 1993 bis 2002 arbeitete, seinen Weg machen können. Doch er entschied sich für einen radikalen Wechsel: Als CSU-Mitglied wurde er Landrat, 18 Jahre agierte er in dieser Position im Landkreis Aschaffenburg.

In den Themen der Sparkassen-Finanzgruppe kennt Reuter sich aus. Für Einschätzungen brauchte er kurz nach Antritt als bayerischer Sparkassenpräsident in einem Interview mit der Börsen-Zeitung kaum einen Blick in die Unterlagen. Sein Alter sieht man in der Gruppe offenbar nicht als Hindernis an. Er sei ein „veritabler Kandidat“, sagt ein führender Vertreter, der auf eine schnelle Entscheidung dringt. „Dann wäre Ruhe.“

Sollten die Weichen vor allem im Kreis der regionalen Verbandsvorsteher noch vor Weihnachten gestellt werden, könnte eine DSGV-Mitgliederversammlung im Januar den nächsten Präsidenten wählen. Damit bis zum Sparkassentag Ende Mai 2023 zu warten, wäre zu lange, so ein Sparkassenchef. Je früher die Nachfolge geregelt sei, umso eher könne ein guter Übergang gelingen.

Von Annette Becker, Tobias Fischer, Michael Flämig und Carsten Steevens, Frankfurt

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