Madrid

Thatcher lebt in Spanien wieder auf

Wie die neue Regierung von Truss in Großbritannien wollen auch Teile der Konservativen in Spanien die Steuern für Besserverdienende senken. Die Linksregierung kontert mit der Ankündigung einer neuen Reichensteuer.

Thatcher lebt in Spanien wieder auf

Im Zentrum von Madrid, gleich neben der riesigen, imposanten Plaza de Colón, liegt die etwas kleinere Plaza Margaret Thatcher. Die Ehrung der früheren britischen Premierministerin wurde 2014 von der Stadtverwaltung und der Regionalregierung Madrids beschlossen, die beide seit Jahrzehnten fast durchgängig in Händen der konservativen Volkspartei (PP) sind. Es war die erste Straßenwidmung für die Eiserne Lady außerhalb Großbritanniens. Eine Straße für Altkanzler Helmut Kohl sucht man in der spanischen Hauptstadt dagegen vergebens, trotz dessen Verdiensten um die europäische Einheit, einschließlich der Strukturhilfen und Kohäsionsfonds, von denen Spanien reichlich profitiert hat. Für die Konservativen in Madrid, die den radikalliberalen Flügel der führenden Oppositionspartei repräsentieren, ist Thatcher ein Idol des Klassenkampfes aus Sicht der Besserverdienenden. Dementsprechend ist man in der weiterhin PP-geführten Landesregierung und im Rathaus entzückt über die neue Eiserne Lady, Liz Truss, und insbesondere über ihre umstrittenen Pläne zur Senkung der Steuern für Mehrverdiener.

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Madrid ist seit geraumer Zeit eine Oase der Reichen. Im Rahmen der Kompetenzen der 17 autonomen Regionen des Landes schafften die Konservativen als einzige Region die Vermögensteuer in Madrid ab. Auch die Erbschaftsteuer wurde auf ein Minimum gesenkt. Das hatte zur Folge, dass viele Menschen mit größeren Vermögen ihren Wohnsitz in die Hauptstadt verlegten. Nun erfolgte die Antwort­ aus Andalusien, dem mit gut acht Millionen Einwohnern größten Landesteil. Der konservative Ministerpräsident Juan Manuel Moreno Bonilla kündigte die Abschaffung der Vermögensteuer in seiner Region an, und das ausgerechnet in einem Madrider Luxushotel vor 300 ausgewählten Gästen. Er sei es leid, dass so viele andalusische Unternehmer ihren Sitz nach Madrid verlegten, sagte der PP-Politiker. Seine Parteifreundin und Minister­präsidentin der Hauptstadt­region, Isabel Díaz Ayuso­, nahm die Ankündigung gelassen und twitterte „Willkommen im Paradies“.

Doch bei anderen Politikern lösten die Vergünstigungen für Betuchte – die Steuer greift erst ab einem Vermögen von mehr als 1 Mill. Euro – keine Begeisterung aus. Die spanische Regierung aus Sozialisten und Linken kritisierte das „Steuerdumping“ der PP, in Zeiten, in denen selbst der Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission dazu mahnen, dass die Staaten ausreichende Mittel zur Bekämpfung der diversen Krisen benötigen. Die Linkskoalition von Ministerpräsident Pedro Sánchez will den Spieß nun umdrehen. Seine Finanzministerin María Jesús Montero kündigte eine Sondersteuer für Reiche an. Diese soll demnächst vorgestellt werden und ab 2023 greifen. Den Vorschlag des PP-Führers, Alberto Núñez Feijóo, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wegen der hohen Inflation zu senken, wies die Regierung zurück. Man könne nicht in Brüssel Hilfen fordern – Spanien stehen 140 Mrd. Euro aus den Krisenfonds zu – und zugleich daheim die Steuern senken, mahnte Montero am Montag. Die Nachricht kam bei ihrem sozialistischen Parteifreund Ximo Puig offenbar nicht an. Der Ministerpräsident der Region Valencia verkündete tags darauf an, den regionalen Anteil an der Einkommensteuer für Leute zu senken, die bis zu 60000 Euro im Jahr verdienen. Statt der Reichen sollen in Valencia die Normalverdiener und untere Einkommen entlastet werden, so Puig.

Angesichts des neu entfachten Steuerwettlaufs brachte der Minister für die Sozialversicherung, José Luis Escrivá, die „Rezentralisierung“ der Steuerkompetenzen ins Spiel. Der eigenwillige Wirtschaftsexperte wurde von seiner Regierung jedoch sofort zurückgepfiffen. Denn vielerorts in diesem Land mit den vielfältigen Identitäten sind die eigenen Zuständigkeiten unantastbar. Das weiß auch Sánchez. Im kommenden Mai stehen in allen Gemeinden des Landes und der Mehrheit der autonomen Regionen Wahlen an, bevor dann zum Ende des Jahres ein neues spanisches Parlament gewählt wird. Gut möglich, dass der Thatcherismus im Wahlkampf eine Rolle spielt.                                    

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