Drohender Shutdown

Unnötiges Drama

In den USA könnten am Donnerstag um Mitternacht weite Teile des staatlichen Verwaltungsapparats wieder zum Stillstand kommen. Schuld daran sind die Politiker, die einzig und allein an die Kongresswahlen im kommenden Jahr denken.

Unnötiges Drama

Am Donnerstag um Mitternacht Washingtoner Zeit droht den USA der nächste Shutdown, jener Stillstand des staatlichen Verwaltungsapparats, der alle paar Jahre für Schlagzeilen sorgt und diesmal gefährlicher sein könnte als je zuvor. Da drängt sich Beobachtern doch die Frage auf, wie sich das Blatt binnen weniger Monate so schnell wenden konnte. Immerhin hatte sich die Wirtschaft mit beeindruckendem Tempo von einer der tiefsten Rezessionen in der Geschichte erholt – die zugleich aber auch die kürzeste blieb. Bis zuletzt hatten die Notenbank ebenso wie der Internationale Währungsfonds (IWF) ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr weiter hochgeschraubt. Von einem potenziellen Einbruch war weit und breit nichts zu sehen.

Dem Konjunkturoptimismus haben aber die Politiker in der tief gespaltenen Hauptstadt Washington einen kräftigen Dämpfer verpasst. Denn mit der Deadline am Donnerstag geht es um deutlich mehr als nur die Frage, ob und wenn ja wie lange Beamte beurlaubt werden und Behörden geschlossen bleiben. Zur Debatte steht, ob die Demokraten und die Republikaner nur für kurze Zeit das Kriegsbeil begraben und einen vernünftigen Kompromiss schließen können. Einen Kompromiss, der zunächst die Folgen eines möglichen Shutdown minimiert, darüber hinaus aber die wesentlich größere Gefahr der Zahlungsunfähigkeit abwendet. Ein derartiges Szenario wird nämlich ohne eine Anhebung des staatlichen Schuldenlimits unausweichlich sein.

Mitte Oktober wird nämlich US-Finanzministerin Janet Yellen jene buchhalterischen Tricks ausgeschöpft haben, mit denen sie seit August verhindert, dass die bestehende Grenze überschritten wird. Einigen sich die beiden Großparteien bis dahin nicht auf ein höheres Limit, dann wären die USA zum ersten Mal in der Geschichte des Landes zahlungsunfähig. Das darauffolgende Chaos an den Finanzmärkten, welches wohl unvermeidlich wäre, würde noch zu den geringsten Sorgen zählen.

Führende Ökonomen warnen davor, dass wie 2011 die Bonität von US-Staatsanleihen heruntergestuft werden könnte. Auch könnte Präsident Joe Bidens billionenschweres Programm zur Erneuerung der Infrastruktur, zur Verbesserung des Gesundheitssystems und für den Kampf gegen den Klimawandel deswegen scheitern, weil das notwendige Geld fehlen könnte. Die nächste, womöglich tiefe Rezession könnte die unvermeidliche Folge sein, glauben führende Ökonomen, die damit durchaus richtig liegen dürften.

Bedrückend ist an dem politischen Theater die Tatsache, dass es sich so leicht vermeiden ließe, und das haben sich beide Parteien selbst zuzuschreiben. Problemlos hätte nämlich Nancy Pelosi, die mächtige Fraktionschefin der Demokraten, die Frage der Zwischenfinanzierung von der Debatte um das Schuldenlimit trennen können. Doch dann würde Bidens Konjunkturprogramm platzen, auf das die Partei, die bei den Kongresswahlen im November 2022 um ihre Mehrheiten bangen muss, dringend angewiesen ist.

Dabei ist es keineswegs nur die einflussreiche Demo­kratin, die bereit ist, einen Shutdown in Kauf zu nehmen, um ihren politischen Willen durchzusetzen. Mitch McCon­nell, ihr republikanisches Pendant im Senat, will sich nicht überlisten lassen. Folglich hat McConnell klargemacht, dass die Oppositionspartei selbstverständlich ein Finanzierungsgesetz absegnen würde, um den Verwaltungsstillstand zu verhindern. Nur lehnt er eine weitere Anhebung des Schuldenlimits kategorisch ab.

Sein Argument, dass die Verschuldungsquote schon bei 130% liege, der Berg an Staatsschulden sich auf fast 29 Bill. Dollar anhäufe und der Fiskus irgendwann lernen müsse, den Gürtel enger zu schnallen, ist ökonomisch fundiert. Doch darum geht es McConnell und seinen Parteifreunden nicht wirklich. Ihre Motivation ist dieselbe wie Pelosis, nämlich die Kongresswahl in 13 Monaten. Um keinen Preis will der Republikaner dem politischen Gegner vor der Wahl den Erfolg eines umfassenden Haushalts- und Ausgabenprogramms angedeihen lassen. Das Desaster ist also rein politisch motiviert, womit sich beide Parteien selbst das größte Armutszeugnis ausstellen. Da ein weiterer Shutdown weder Pelosi noch McConnell gut zu Gesicht stünde, wird es wohl zu einer Lösung kommen, die aber kaum mehr als Flickwerk sein wird. Ein Gesetz zur Zwischenfinanzierung wird es geben, ob mit oder ohne staatlichen Verwaltungsstillstand, der aller Voraussicht nach aber kaum mehr als ein paar Tage dauern dürfte.

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