Henkel

Unter Zugzwang

Henkels Antwort auf die chronische Schwäche im Kosmetik-Geschäft überzeugt noch nicht ganz. Zuerst einmal wird es intransparenter.

Unter Zugzwang

Nach zwei Jahren an der Spitze von Henkel steht Konzernchef Carsten Knobel erkennbar unter Zugzwang. Zugegeben – die Pandemie gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat ihm den Start erheblich erschwert. Doch auch 2021 lief nicht wie geplant. Zweimal musste der Persil- und Pritt-Produzent seine Ergebnisziele nach unten korrigieren. Die Erosion der Marktanteile im US-Konsumentengeschäft setzte sich fort. Am Kapitalmarkt ließen Investoren das Henkel-Papier links liegen. Im Vergleich zu Konkurrenten wie Procter & Gamble, L’Oréal, aber auch Beiersdorf schnitt die Aktie schlecht ab.

Die Schwäche der Kosmetik-Sparte, die bereits Knobels Vorgänger Hans Van Bylen nicht in den Griff bekam, hält an. Das Grundproblem steckt in der schwachen Marktposition. Im Klebstoffgeschäft ist Henkel Weltmarktführer, bei Waschmitteln nimmt der Konzern führende Plätze zumindest im europäischen Markt ein. Bei Beauty Care jedoch kann Henkel höchstens in einzelnen Nischenmärkten wie Haarcolorationen oben mitspielen. Doch das reicht nicht, da auch die Innovationskraft des Düsseldorfer Dax-Konzerns in den vergangenen Jahren nicht groß genug war, um die Nachteile auszugleichen. Große, erfolgreiche Markeneinführungen sind Henkel seit der Haarpflegemarke Syoss 2009 nicht mehr gelungen.

Was tun mit einem chronisch unbefriedigenden Unternehmensbereich? Henkel hat sich für einen Umbau der Konzernorganisation entschieden. Die Kosmetik geht auf in einer neuen großen Sparte Consumer Brands, die künftig mit 10 Mrd. Euro Umsatz für die Hälfte der Konzernerlöse steht. „Das ist kein defensiver Move“, wollte Carsten Knobel den Umbau bei der Bekanntgabe am vergangenen Freitag verstanden wissen. Was soll es denn sonst sein? Als offensiv kann die Henkel-Führung den Schritt wohl kaum vermarkten. Nebenbei bemerkt: Aggressive Strategien sind in der Henkel-DNA auch gar nicht verankert. Der familiendominierte Konzern agiert seit jeher bedächtig und mit Vorsicht.

Mit der Vereinigung fast aller Markenartikel (außer den Konsumenten-Klebstoffen) unter einem Dach wehrt Henkel eine anhaltende Diskussion um die Zukunft der Kosmetik-Sparte im Konzern ab. Eine Option ist, die Geschäfte des bisherigen Unternehmensbereichs Beauty Care jetzt nach und nach zu verkaufen und damit höhere Erlöse zu erzielen, als wenn Henkel die Kosmetik als Paket ins Schaufenster gestellt hätte. Das Tor zu einem langfristigen Portfolioumbau steht jetzt offen. Überlegungen in diese Richtung hat die Henkel-Führung am Freitag auch bereits angedeutet. Zukäufe in Produktkategorien, die bislang nicht zu den bestehenden Sparten passten, seien möglich.

Der neue starke Mann in der Henkel-Führung wird Wolfgang König. Der erfahrene Konsumgütermanager ist erst ein gutes halbes Jahr für den Konzern tätig und wurde geholt, um die Kosmetik wieder in die Spur zu bringen. Die neue Strategie dürfte auch seine Handschrift tragen. Henkel setzt damit für eine Schlüsselaufgabe nach längerer Zeit wieder auf eine externe Führungskraft – vielleicht auch ein Eingeständnis, dass Teams mit heterogener Berufserfahrung ideenreicher arbeiten können. Der Konzern ist dafür bekannt, fast ausschließlich auf Eigengewächse zu setzen. Dass Henkel unter Königs Markenartikel-Verantwortung auch wieder zu größeren M&A-Schritten bereit ist, darf angenommen werden. Der Konzern agierte zuletzt auffallend zögerlich. Während 2020 noch rund 450 Mill. Euro für Unternehmenserwerbe ausgegeben wurden, waren es im ersten Halbjahr 2021 nur 8 Mill. Euro.

Die Kritik an dem strategischen Aufschlag von Henkel lässt sich aber in einem Wort beschreiben: Intransparenz. Die schon bislang nicht sehr tief gehende Berichterstattung des Dax-Konzerns dürfte künftig noch weniger aussagekräftig werden, wenn die Markenartikel in einem Unternehmensbereich zusammengefasst sind.

Wirklich überzeugen kann Henkel mit der Neuaufstellung noch nicht. Denn der Schritt ist zunächst nicht mehr als eine Skizze, die in wichtigen Teilen unkonkret bleibt. Es darf weiter spekuliert werden, wie der Konzern die verbleibenden Kosmetikaktivitäten weiterentwickeln möchte. Konkret werden erst einmal Kosten gesenkt werden. Ein Stellenabbau ist angekündigt. Doch das ist wenig kreativ. Operativ muss da noch eine ganze Menge folgen. Die Tippelschritte der vergangenen Jahre waren zu zaghaft – selbst für ein vorsichtig agierendes Unternehmen. Henkel muss wieder mehr wagen.

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