Tokio

Warum Japans Kaiserin fließend Deutsch spricht

Die 58-jährige Masako ist die Tochter eines Diplomaten. Die deutsche Sprache beschäftigt sie schon seit einem Aufenthalt in den USA.

Warum Japans Kaiserin fließend Deutsch spricht

Mit Japans Kaiserhaus ist kein aktueller deutscher Amtsträger so vertraut wie Frank-Walter Steinmeier. Vor vier Jahren traf der Bundespräsident den damaligen Tenno Akihito in dessen Palast. An gleicher Stelle erlebte Steinmeier im Mai 2019, wie Akihitos Sohn Naruhito zum Kaiser gekrönt wurde. Der Deutsche gehörte zu den 2000 Gästen, die die Zeremonien aus einem Saal über Bildschirme verfolgten. Beim Defilee konnte er dem neuen Tenno kurz gratulieren.

Vergangene Woche war der Bundespräsident erneut in Tokio und erhielt – anders als Kanzler Olaf Scholz bei seinem Japan-Besuch Ende April – wieder einen Palasttermin. „Wir sind sehr, sehr dankbar für die besondere Ehre, dass der Kaiser uns nach seiner Thronbesteigung eine seiner wirklich seltenen Audienzen gewährt hat“, sagte Steinmeier nach dem gut halbstündigen Treffen. Seine Frau Elke Büdenbender begleitete ihn wie schon vor vier Jahren bei der Begegnung mit Akihito und dessen Frau Michiko. Das Protokoll sieht dann ein Gespräch zwischen den Amtsträgern und ein separates Gespräch zwischen den Ehefrauen vor. Die vier Sessel wurden auch diesmal entsprechend aufgestellt.

Das Coronavirus hat den Ablauf allerdings leicht verändert. Die Pressevertreter dürfen den Palast nicht mehr betreten – wegen der Infektionsgefahr. Kaiser und Kaiserin sind wohl nicht geimpft. Genaues weiß man nicht, Fragen danach beantwortet das Hofamt nicht. Also stand jeweils eine kleine Gruppe deutscher und eine kleine Gruppe japanischer Wortjournalisten auf dem Kies vor dem überdachten Eingang auf der Rückseite des Palastes. Nur die wenigen Bildjournalisten durften näher heran. Auf die Sekunde pünktlich traten Naruhito und seine Frau Masako mit Masken über Mund und Nase vor die Tür, schon fuhr die schwarze Maybach-Präsidenten­limousine vor. Steinmeier und Büdenbender stiegen aus, ebenfalls mit Maske, und gaben Kaiser und Kaiserin die Hand. Man wandte sich zu viert kurz den Fotografen zu, dann gingen beide Männer und Frauen jeweils zusammen weg.

Das Kaiserpaar kennt Deutschland und interessiert sich für Leute und Sprache. Naruhito studierte zwei Jahre auf dem Master-Niveau am Merton College in Oxford und besuchte in dieser Zeit auf seinen Europa­reisen auch mehrere Hansestädte, darunter Dortmund, weil er sich für diese spezielle deutsche Geschichte interessierte. Vor elf Jahren kam er – damals noch als Kronprinz – in seiner Eigenschaft als Schirmherr der Feierlichkeiten zu 150 Jahren deutsch-japanischen Beziehungen nach Berlin. Eingeladen hatte ihn der damalige Bundespräsident Christian Wulff, der sich seit langem für intensive Beziehungen zu Japan engagiert. Vor seiner Ankunft in Berlin hatte der Kronprinz berichtet, er empfinde seit seiner Kindheit durch Musik und Literatur eine besondere Zuneigung für Deutschland. Ihr Gespräch führten Steinmeier und der 62-jährige Kaiser komplett auf Englisch, einen sicherheitshalber anwesenden Dolmetscher brauchte Naruhito nicht.

Masako beeindruckte Büdenbender ebenfalls mit ihrem Englisch, aber die Unterhaltung begann sie in fließendem Deutsch. Die 58-Jährige ist die Tochter eines Diplomaten und späteren Richters und durchlief als eine der ersten Frauen in Japan eine Ausbildung zur Diplomatin. Ihre letzten beiden Oberschuljahre bis zum Abschluss hatte sie an der Belmont High School in Belmont (USA) verbracht und Deutsch als Fremdsprache belegt. Für ihre auf Deutsch geschriebenen Gedichte erhielt die Schülerin jeweils einen Preis des deutschen Generalkonsuls und des Goethe-Instituts. In den Sommerferien ihres ersten Studienjahres an der Harvard University studierte sie zwei Monate an einem Goethe-Institut in Deutschland, um die Sprache noch besser zu erlernen.

Steinmeier will die Verbindung des Kaiserpaars zu Deutschland stärken. Bei seiner Berlin-Visite 2011 hatte Naruhito einen Kirschbaum im Park von Schloss Bellevue gepflanzt. „Ab und zu muss nach dem Baum geschaut werden“, sagte Steinmeier augenzwinkernd. „Daher haben wir den Kaiser nach Berlin eingeladen.“ Es wäre erst der zweite Tenno-Besuch in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.

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