KfW

Zurück zur Souveränität

Die Rolle der KfW wurde in der Coronakrise nur scheinbar gestärkt. Der künftige Chef Stefan Wintels muss die Bank vor Beliebigkeit der Politik schützen

Zurück zur Souveränität

Wenn Stefan Wintels als designierter Chef der KfW am heutigen Mittwoch wie erwartet vom Verwaltungsrat der Bank bestätigt wird und in Kürze sein Amt antritt, sieht er sich einer hohen Erwartung aus Berlin ausgesetzt: Denn nicht nur hat die scheidende Bundesregierung der Kreditanstalt in der Pandemie ein umfassendes Hilfsprogramm abverlangt, sondern auch die neue Spitze in Berlin wird die Förderbank vermutlich umfassend einbinden, vor allem im Klimaschutz. Für die Bank sind hohe Erwartungen heikel, denn mit neuen Aufgaben wächst in Berlin der Wunsch nach Kontrolle. Citi­group-Veteran Wintels muss sich anstrengen, um die Souveränität der Bank zu wahren.

In der Coronakrise wurde das Risiko deutlich: Mit bisher 64 Mrd. Euro an beantragten Mitteln hat das Hilfskreditprogramm für Unternehmen ein enormes Gewicht. Dabei hat die Bundesregierung angesichts der Krise leider wesentliche Prinzipien des Bankgeschäfts hintangestellt. Die Kreditausfallrisiken liegen im KfW-Sonderprogramm nicht, wie im Fördergeschäft üblich, primär bei der Kreditanstalt selbst oder aber bei den ausreichenden Banken und Sparkassen, sondern beim Bund, der je nach Kreditvariante überwiegend oder gar vollständig die Haftung übernommen hat. Auch die Prüfung der Kreditrisiken wurde teilweise zurückgefahren. Hohe Verluste für die Steuerzahler wären am Ende daher keine Überraschung. Außerdem hat Berlin­ der KfW den Auftritt am Kapitalmarkt zum Teil abgenommen. In der Refinanzierung stellte der Bund über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds Mittel bereit, obwohl sonst allein die Kreditanstalt an Investoren herantritt und der Bund lediglich als Garantiegeber gebraucht wird. In der Coronakrise leistete die Förderbank mehr als jemals zuvor, doch ihre Eigenständigkeit hat gelitten.

Diese Schwächung mag nicht die letzte sein. Denn was wird passieren, wenn nach der Pandemie wieder der Klimawandel als zentrales Thema in den Mittelpunkt rückt? Die scheidende Bundesregierung hat in aller Eile ehrgeizige Zielgrößen für die Drosselung von Treibhausgasemissionen vorgelegt. Die künftige Regierung, an der die Grünen wahrscheinlich beteiligt sein werden, wird unter Handlungsdruck stehen. Viele Maßnahmen wie eine Verteuerung von Energiepreisen sind unpopulär – umso stärker wird die Verlockung sein, die Klimapolitik über weitere Fördermilliarden voranzubringen, was nicht unbedingt wirksamer, wohl aber leichter durchsetzbar ist. Bereits heute sind die Energieeffizienzprogramme, die kurz vor der Coronakrise deutlich aufgestockt worden sind, eine tragende Säule im Neugeschäft der KfW. Bei allen staatlichen Hilfen ist es aber wichtig, die mutmaßliche Wirkung mit den Kosten und Risiken abzuwägen. Das gelingt mit einer starken­ Kreditanstalt, deren Expertise in Berlin geschätzt wird, allemal besser.

Der mittlerweile verstorbene ehemalige Bankchef Ulrich Schröder hatte die Leitlinie geprägt, dass sich die staatliche Bank zurückhalten soll, wenn es privatwirtschaftliche Alternativen für eine Finanzierung gibt. Ob dieses Ideal verwirklicht wird, lässt sich keineswegs einfach an der Summe des Neugeschäfts ablesen – das Ziel der Klimaneutralität etwa setzt einen Technologiewandel voraus, für den gerade in der frühen Phase nicht unbedingt genügend private Mittel bereitstehen. Die Förderbank wird hier und auch in vielen anderen Themenfeldern gebraucht. Das Prinzip der Zurückhaltung verträgt sich aber gut mit einer konservativen Risikoprüfung, was ohnehin nach einer 100 Mill. Euro schweren Kreditlinie an Wirecard durch die Tochter Ipex-Bank angemessen erscheint. Ein sinnvoller Ansatz ist zudem ein System der Wirkungsmessung, das die Kreditanstalt in der Entwicklungsfinanzierung schon praktiziert und nun breiter im Konzern ausrollt. Damit schafft sie einen Maßstab für den Sinn und Unsinn diverser Programme.

Der scheidende Bankchef Günther Bräunig hat die Rolle der KfW treffend beschrieben: Für die Bundesregierung sei die Bank in der Pandemie so wie Krankenhäuser oder Energieversorger eine wesentliche Institution. Die Stärke der Bank, so sollte hinzugefügt werden, bemisst sich aber weniger an ihrer Aufgabenfülle, sondern an ihrer Souveränität in der Ausführung. Zum Glück ist dieses Verständnis in Berlin noch nicht verloren gegangen. Den Streit über die Führungspersonalie hat die schwarz-rote Koalition vor der Bundestagswahl gelöst. Mit Wintels steht ein erfahrener Mann der Privatwirtschaft an der Spitze. Die Tendenz, gestandene Führungskräfte von außen zu holen, setzt sich fort. Für die Eigenständigkeit der Bank ist das ein gutes Zeichen.