Wohnungswirtschaft

Zweifelhafter Größendrang

Bereits zum zweiten Mal ist die Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia gescheitert. Der Zusammenschluss steht unter keinem guten Stern.

Zweifelhafter Größendrang

Vonovia und Deutsche Wohnen – diese Verbindung steht unter keinem guten Stern. Der Übernahmeversuch vor fünf Jahren scheiterte kläglich, was auch am Widerstand des Deutsche-Wohnen-Managements lag. Diesmal unterstützten Vorstand und Aufsichtsrat des Zielobjekts das Kaufangebot ausdrücklich, doch geholfen hat es nichts. Obwohl die Mindest­annahmequote mit 50% bereits extrem niedrig angesetzt war, wurde sie verfehlt. Früher waren sehr viel höhere Mindestschwellen bei öffentlichen Kaufangeboten üblich, um sich den Durchgriff zu sichern.

Dass der steigende Anteil von indexorientierten Investoren Übernahmeofferten er­schwert, lässt sich nicht von der Hand weisen. Nur: Das haben die Akteure vorher gewusst. Dennoch wurde das Projekt auf den Weg gebracht. Wer nun die Schuld für das Scheitern der Transaktion den Hedgefonds zuschiebt, die sich in der Spekulation auf ein höheres Angebot mit dicken Aktienpaketen eingedeckt haben, macht es sich zu einfach. Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass der Preis von 52 Euro keinerlei nennenswerte Prämie auf den inneren Wert der Deutsche-Wohnen-Aktie bot. Sonderlich attraktiv war das Angebot also nicht. Zudem haben Vonovia und Deutsche Wohnen beim Werben für den Zusammenschluss stark auf den rot-rot-grünen Senat in Berlin geschielt, dem sie mit allerlei Zugeständnissen ihr Vorhaben schmackhaft machen wollten. Angesichts der aufgeheizten Diskussion um gestiegene Mieten und Wohnungsnot waren die sanften Töne ohne Frage angebracht. Ob sie auch Investoren überzeugen, steht auf einem anderen Blatt.

Sollte Vonovia einen dritten Anlauf nehmen, was keinesfalls unwahrscheinlich ist, werden die Bochumer mehr Geld auf den Tisch legen müssen. Doch sehr viel Spielraum haben sie eigentlich nicht. Denn die Zahlung einer saftigen Prämie lässt sich vor den eigenen Aktionären kaum rechtfertigen. Landauf, landab klagen expansionshungrige Wohnungskonzerne, dass es in Deutschland kaum noch Kaufgelegenheiten zu vertretbaren Preisen gibt. Warum sollte das bei dem Versuch, ein ganzes Unternehmen zu erwerben, anders sein?

Auch das Argument, mit mehr Größe besser gewappnet zu sein für die notwendigen Investitionen in energieeffiziente Modernisierung, altersgerechten Umbau und Wohnungsneubau, überzeugt nicht recht. Die erhofften Synergien aus der gemeinsamen Bewirtschaftung halten sich in Grenzen, wenn man bedenkt, dass der fusionierte Konzern über einen riesigen Bestand von mehr als einer halben Million Wohnungen verfügen würde. Mit gut 100 Mill. Euro machen die angekündigten Kosteneinsparungen lediglich 5,5% des addierten operativen Gewinns aus. Das zeigt: Die beiden Marktführer in Deutschland arbeiten bereits sehr effizient. Ähnliches gilt für die Finanzierungsseite. Vonovia und Deutsche Wohnen können sich schon jetzt zu sehr günstigen Konditionen verschulden. Viel mehr wird da nicht zu holen sein, wenn man als fusioniertes Unternehmen am Fremdkapitalmarkt auftritt.

Mit zunehmender Größe wird es offensichtlich schwieriger, in signifikanter Höhe Skalenvorteile etwa durch die gemeinsame Nutzung von Plattformen und die Bündelung des Einkaufs zu erzielen. Zumal sich immer wieder zeigt, dass Größe die Reaktionsgeschwindigkeit hemmen und unbeweglich machen kann. Für mittelgroße Vermieter scheinen sich Fusionen schon eher zu lohnen. Bei dem im Dezember 2019 angekündigten Zusammenschluss von Ado Properties und Adler Real Estate wurden operative Synergien (ohne Finanzierungsvorteile) zwischen 10 und gut 13% des addierten Gewinns in Aussicht gestellt.

Für kleine Wohnungsfirmen und erst recht für die Millionen Privatvermieter kommt eine Flucht in Größe schon mangels Volumen erst gar nicht in Betracht. Die Branche braucht also andere Lösungen, um auf steigenden Investitionsbedarf und die absehbare Verschärfung des Mietrechts nach der Bundestagswahl zu reagieren. Ein Weg wäre, die Mieterzufriedenheit zu verbessern, etwa durch übersichtliche und nachvollziehbare Nebenkostenabrechnungen, schnelle Reparaturen und Pflege des Wohnumfelds. Das würde dazu beitragen, in der Bevölkerung die Stimmung gegenüber der Branche zu heben. Ein anderer Ansatz ist der Neubau, vorausgesetzt, der potenzielle Bauherr kann den erforderlichen Kapitaleinsatz aufbringen. Neue Wohnungen fallen in vielen Fällen nicht unter die strenge Mietenregulierung. Das ermöglicht attraktivere Renditen und hilft zugleich, den Wohnungsmangel zu lindern.

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