Madrid

Zwischen Chip-Hochburg und alten Monarchen

Ministerpräsident Sánchez wirbt in Davos bei den CEOs der IT-Branche für Spanien als Standort für die Halbleiterproduktion in Europa. Doch daheim gilt das Interesse eher dem skurrilen Heimatbesuch des früheren Königs Juan Carlos.

Zwischen Chip-Hochburg und alten Monarchen

In der spanischen Regierung kommt Wirtschaftsministerin Nadia Calviño größtenteils die Aufgabe zu, die Wirtschaftspolitik und die Interessen des Landes im Ausland zu repräsentieren. Die frühere Generaldirektorin der Europäischen Kommission genießt in Brüssel und bei Anlegern hohes Ansehen. Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos übernahm jedoch Ministerpräsident Pedro Sánchez selbst die Rolle des Handelsvertreters.

Es geht darum, Spanien als Spitzenstandort für die Halbleiterindustrie in Position zu bringen. Während Sánchez am Dienstag seinen Aufenthalt auf der Zusammenkunft der Weltelite in den Alpen für private Treffen mit den Chefs großer Technologiekonzerne nutzte, leitete Calviño als erste Stellvertreterin des Ministerpräsidenten in Madrid die Kabinettssitzung. Dort wurde der Plan zur Förderung einer Chipindustrie im Lande beschlossen, für den bis 2027 gut 12 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt werden, die aus dem europäischen Wiederaufbaufonds stammen. Der Großteil soll in den Bau von Halbleiterfabriken gehen. Derzeit gibt es in Spanien nur eine im Baskenland. Die Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linken steckt auch viel Geld in die Forschung und Unterstützung für Start-ups in dem Bereich.

„Spanien will eine wichtige Rolle im Technologiebereich einnehmen. Dies ist das vielleicht wichtigste Projekt unseres Wiederaufbauplans“, verkündete Calviño im Anschluss an die Kabinettssitzung. Die Voraussetzungen sind nach Meinung der Wirtschaftsministerin nicht schlecht, da es eine ganze Reihe international renommierter Forschungseinrichtungen gibt, sowohl private als auch öffentliche. Schließlich habe man auch die Abnehmer für die Halbleiter, wie die mächtige Automobilbranche, die zweitgrößte in Europa hinter Deutschland.

Mit den Milliarden sollen nun private Investoren angelockt werden. Sánchez rührte in Davos die Werbetrommel. Nach einem Abendessen mit Pat Gelsinger, dem CEO von Intel, am Montag folgten Treffen mit den Chefs von Qualcomm, Micron Technology und Cisco. Auch für die Spitzen von ArcelorMittal und Temasek Holding aus Singapur hatte Sánchez Zeit. Auf der politischen Agenda standen dagegen nur Gespräche mit den Staatspräsidenten der Schweiz und von Ruanda. Man habe bereits großes Interesse für die Chancen der Halbleiterproduktion in Spanien vernommen, versicherte Calviño.

Bei den heimischen Medien hielt sich das Interesse für das Zukunftsprojekt zur Wandlung der spanischen Wirtschaft jedoch in Grenzen. Außer ein paar Fragen an die Wirtschaftsministerin ging es im Pressesaal des Moncloa-Palasts, des Regierungssitzes, vor allem um den jüngsten Besuch des früheren Königs Juan Carlos. Der Rex Emeritus hatte von Freitag bis Montag zum ersten Mal seine alte Heimat besucht, seit er sich vor zwei Jahren inmitten der Skandale um seine dubiosen Finanzen nach Abu Dhabi abgesetzt hatte. Seitdem hat die Justiz in Spanien und der Schweiz die Ermittlungen wegen der Millionen-Geschenke aus Saudi-Arabien, Vermögen in Steuerparadiesen und anderen merkwürdigen Zuwendungen an den langjährigen Staatschef eingestellt. Die Taten seien verjährt, und der König habe seinerzeit Immunität genossen. Nun hoffte man in Madrid, dass der mittlerweile 84-jährige frühere Monarch seinen kurzen Heimaturlaub so diskret, wie es die moderne Medienlandschaft erlaubt, gestalten würde. Doch weit gefehlt. Juan Carlos nahm im galicischen Sanxenxo an einer Regatta teil, für die 200 Medienvertreter akkreditiert wa­ren. Angereist war er in einem Privatjet, angeblich auf Kosten seines Gastgebers in Abu Dhabi, Scheich Mohammed Bin Zayed. Der Rex Emeritus genoss sichtlich das Bad in der Menge und sogar die Fragen der Reporter. Ob er die Vorgänge der Vergangenheit erklären würde, wurde er gefragt. „Erklärungen wofür?“, lautete seine Antwort. Sein Sohn und Nachfolger auf dem Thron, Felipe VI., war vermutlich wenig begeistert über den Auftritt seines Vaters und dürfte dies bei dem elfstündigen, strikt privaten Aufenthalt von Juan Carlos am Montag im Zarzuela-Palast in Madrid klargemacht haben. Ob die Nachricht angekommen ist, wird sich Mitte Juni zeigen. Dann will Juan Carlos zur Segel-WM nach Sanxenxo zurückkehren.

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