Bundeswirtschaftsminister

Habecks Kampf gegen das Orchideen-Narrativ

Das Karlsruher Urteil zum Klimafonds stellt vieles in Frage, wofür Robert Habeck in den letzten zwei Jahren gearbeitet hat. Der Wirtschaftsminister versucht jetzt zu retten, was noch zu retten ist.

Habecks Kampf gegen das Orchideen-Narrativ

Habecks Kampf gegen das Orchideen-Narrativ

Von Andreas Heitker, Berlin

Wer in diesen Tagen das Radio oder den Fernseher anschaltet, ist an Robert Habeck kaum vorbeigekommen. Mit einer ganzen Serie an Interviews und öffentlichen Auftritten versucht der Bundeswirtschaftsminister zurzeit, die Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils zur Schuldenbremse und zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus seiner Sicht zu erklären. Den Grünen-Politiker ärgert es maßlos, dass die Folgen – wie er selbst sagt – anfangs als "Orchideen-Problem" lächerlich gemacht wurden.

Dabei gehe es bei den KTF-Programmen doch nur zu einem geringen Teil um Klimaschutz, hält Habeck dagegen: Mit den Projekten, deren Finanzierung jetzt wackelt, werde die deutsche Wirtschaft vielmehr in ihrer ganzen Breite getroffen, was Wettbewerbsfähigkeit und Tausende Arbeitsplätze gefährde. Von der Ansiedlung strategisch wichtiger Branchen, über die Gleissanierung der Bahn, Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft, Hilfen bei der Transformation der Stahlkocher bis hin zu klassischer Standortpolitik: Nach dem Urteil, das allein im Klimafonds zu einem Finanzloch von 60 Mrd. Euro geführt hat, steht vieles auf der Kippe.

"Mein Projekt ist es, möglichst große Anteile dessen, was wir uns vorgenommen haben und was ich zentral wichtig finde, auch nach wie vor zu realisieren", stellte Habeck am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" klar. Für den einstigen Liebling im Kabinett ist der Spruch der Verfassungsrichter nach dem Debakel um das verkorkste Heizungsgesetz ein weiterer Super-GAU. Für das Sondervermögen KTF ist eigentlich das Finanzministerium zuständig. Mehr als 80% der für 2024 eigentlich geplanten Ausgaben von fast 58 Mrd. Euro fallen aber in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums. Der Karlsruher Spruch stellt vieles seiner Arbeit der letzten zwei Jahre in Frage.

Aus der Wirtschaft erhält der Grünen-Minister viel Unterstützung für sein alarmierendes Narrativ. Bereits am Tag nach der Urteilsverkündung gab es erste Krisen-Calls mit Vertretern der Industrie, wo die Verunsicherung groß ist. Welche Förderzusagen gelten denn jetzt noch? Thyssenkrupp und Salzgitter haben bereits rechtskräftige Bescheide auf dem Tisch. ArcelorMittal und die Dillinger Hütte könnten dagegen in die Röhre schauen. Auch die Unterstützung für die neuen Chipfabriken von Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden, für die es lediglich ein nicht einklagbares Memorandum of Understanding (MoU) gibt, liegt erst einmal auf Eis. Die zahlreichen offenen Fragen verunsicherten Unternehmen in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen und globalen Situation extrem, warnt BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

Habeck weiß aber auch, dass seine Kritiker jetzt noch einmal die Chance wittern, mit dem Kostenargument grundsätzliche Kehrtwenden in der Wirtschaftspolitik erzwingen zu können. Gerade aus der Union kamen ja schon so einige Vorschläge, wie das Loch im KTF denn gestopft werden könnte. Teilen der Opposition warf der Minister im ZDF daher auch einen "feixenden Übermut" vor. Im "Deutschlandfunk" hatte er zuvor schon Bürgern geraten, ihren Dank für höhere Strom- und Gaspreise an CDU/CSU zu senden, die das Urteil des Verfassungsgerichts ja herbeigeführt hatten. Unionspolitiker warfen Habeck daraufhin ein eigenwilliges Demokratieverständnis vor. Es sollte auch das Ansinnen eines Vizekanzlers sein, auf die Einhaltung der Verfassung Wert zu legen und nicht die zu beschimpfen, die die Nichteinhaltung stoppen, so Ex-CDU-Ministerin Julia Klöckner.

Nicht getroffen von seinen mitunter zornigen Attacken war bisher Habecks ständiger Rivale im Kabinett, Finanzminister Christian Lindner. Er nehme den FDP-Chef alles andere als frohlockend wahr, sondern "hochkonzentriert", stellte Habeck klar. Beiden scheint bewusst zu sein, dass ein Ausweg aus der Haushaltskrise nur gemeinsam gelingen kann.