Wissing vs. Timmermans

Remis im Fernduell um den Verbrenner

Der E-Fuels-Einigung von EU-Kommissionsvize Frans Timmermans und Verkehrsminister Volker Wissing ist ein denkwürdiger Streit vorausgegangen. Am Ende steht es unentschieden. Aber beide gehen irgendwie auch als Verlierer vom Platz.

Remis im Fernduell um den Verbrenner

Von Andreas Heitker, Berlin,

und Stefan Reccius, Brüssel

Im Fußball würde man wohl von einem 1:1 mit hohem Unterhaltungswert sprechen: Bundesverkehrsminister Volker Wissing und EU-Kommissionsvize Frans Timmermans haben sich wochenlang zu den künftigen CO2-Flottengrenzwerten duelliert. Im Ergebnis hat dies aber am Trilog-Kompromiss der EU-Gesetzgeber kaum etwas geändert: Es bleibt beim geplanten Verbrenner-Verbot ab 2035 und einer nicht rechtssicheren, aber ökonomisch wohl ohnehin unbedeutenden Hintertür für synthetische Kraftstoffe.

Ein Sieger im Duell ist nicht wirklich auszumachen – eher zwei Verlierer, die jeweils ein Eigentor geschossen haben. FDP-Mann Wissing hat mit seinem Vorgehen viel Porzellan in Brüssel und bei den EU-Partnern zerschlagen. Selbst deutsche Christdemokraten im Europaparlament, die eigentlich gegen das Verbrenner-Aus sind, schießen nun gegen den Verkehrsminister. Dieser habe „drei Wochen lang Chaos gestiftet und ist keinen Zentimeter weitergekommen“, ätzte etwa der CDU-Verkehrspolitiker Jens Gieseke. Und Parteifreund und Klimaexperte Peter Liese bemühte noch einmal das Bild vom springenden Tiger, der als Bettvorleger gelandet sei. Die Bundesregierung hat jetzt alle Staaten in Europa verärgert – dabei habe das Verkehrsministerium den neuen Flottengrenzwerten zuvor dreimal zugestimmt, so der Sauerländer. Und am Ende sei Wissing doch eingeknickt. „Schlimmer kann man Europapolitik nicht machen.“

Aber auch der Niederländer Timmermans, der ja so etwas wie Europas Klimaminister ist und die inhaltliche Verantwortung für den Green Deal und das große Klimapaket „Fit for 55“ trägt, kommt in der Rückschau nicht besonders gut weg. Dass Wissing ihm beim Verbrenner-Aus quasi in der Nachspielzeit noch dazwischengrätschen würde, damit hatte in Brüssel niemand gerechnet. Daran trage Timmermans allerdings Mitschuld, heißt es in Kreisen der Autoindustrie. Verwiesen wird auf ein Interview mit der „Bild am Sonntag“. Darin sagte Timmermans, man dürfe die Branche „nicht zwingen, gleichzeitig verschiedene Technologien zu entwickeln. Dann wird ja alles teurer.“ Garniert mit dem süffisanten Zusatz: „USA und China machen auch keine E-Fuels – die sind doch nicht blöd.“ Dem Vernehmen nach fühlte man sich in der FDP verspottet. Dabei war ein separater Vorschlag für den begrenzten Einsatz von E-Fuels doch Teil des Deals für das Verbrenner-Aus.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer befürchtet zudem, dass die Autokonzerne, die gerade noch dem richtigen Pfad weg von fossilen Kraftstoffen suchen, verunsichert zurückbleiben: „Das wenig professionelle Vorgehen der EU-Kommission hat die Diskussion beflügelt, ob es wirklich richtig ist, so kompromisslos auf das Elektroauto zu setzen“, sagt der Experte vom Center Automotive Research. „Die Büchse der Pandora ist geöffnet für alle Zweifel in die Elektromobilität.“

Wissing, der von seinen grünen Ministerkollegen in der Ampel persönlich eigentlich hoch geachtet ist, hat sich damit einmal mehr als Verkehrswende-Bremser positioniert. Timmermans hat zugleich gezeigt, dass die EU-Kommission relativ schnell vor Sonderwünschen einer einzelnen Koalitionspartei einknicken kann – was für künftige Gesetzgebungsprozesse in der EU nichts Gutes bedeuten, wenn sich andere Länder daran ein Beispiel nehmen. Lauter Eigentore halt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.