Kreditwirtschaft

Vorstandschef Stefan Ermisch verlässt HCOB

Ein Dreivierteljahr nach Aufnahme der Hamburg Commercial Bank in die Einlagensicherung der Privatbanken verlässt Vorstandschef Stefan Ermisch das Institut. Der Nachfolger kommt aus dem eigenen Haus.

Vorstandschef Stefan Ermisch verlässt HCOB

Von Carsten Steevens, Hamburg

Heute sei kein Tag, über Resultate zu reden, kein Tag für Fragen und Antworten, sondern ein Tag, um den Erfolg von Stefan Ermisch zu feiern. Juan Rodríguez Inciarte, seit gut dreieinhalb Jahren Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburg Commercial Bank (HCOB), gab in einem virtuellen Pressegespräch am Donnerstagvormittag vor, was von diesem Termin zu erwarten sei, zu dem das Institut Ende voriger Woche noch mit der Ankündigung eingeladen hatte, der Vorstandsvorsitzende werde die Zahlen des ersten Halbjahres erläutern. Das tat Ermisch nicht. Vielmehr nutzte der 56-Jährige die mit weniger als zehn Minuten überraschend kurz gehaltene Online-Konferenz vor allem dazu, sich als Chief Executive Officer (CEO) des Spezialfinanzierers von den Medienvertretern zu verabschieden.

CFO Banwell rückt vor

Kurz vor Beginn des Termins hatte die HCOB neben verbesserten Ergebniszahlen zum ersten Halbjahr und einer erhöhten Gewinnprognose für 2022 einen Wechsel an der Vorstandsspitze bekannt gegeben. Der CEO lege sein Amt zum 30. September nieder, wurde mitgeteilt. Der Aufsichtsrat habe Ermischs Wunsch mit Bedauern akzeptiert, den Ende 2023 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Im „freundschaftlichen Einvernehmen“ würden seine Aufgaben auf den bisherigen Finanzchef der Bank, Ian Banwell (58), übergehen. Neuer Chief Financial Officer (CFO) soll Marc Ziegner (46) werden, der seit 2001 für die HCOB bzw. die Vorgängerinstitute tätig ist und seit 2019 die Leitung der Banksteuerung innehat. Die HCOB war aus dem im Herbst 2018 vollzogenen Verkauf der HSH Nordbank an Finanzinvestoren um Cerberus hervorgegangen. Die 2009 im Zuge der Finanzkrise fast kollabierte und mit staatlichen Kapital- und Garantiehilfen über 13 Mrd. Euro gerettete Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein war 2003 nach einer Fusion gestartet.

Die Beweggründe für das Ausscheiden des passionierten Bergsteigers Ermisch, der mit seiner Familie in München lebt, sind offenbar persönliche. „Nach zehn Jahren ist es irgendwann genug“, erklärte der gebürtige Bonner, der Ende 2012 zunächst Finanzvorstand der HSH Nordbank geworden war, ehe er im Juni 2016 als Nachfolger von Constantin von Oesterreich Vorstandschef der Landesbank und Ende 2018 schließlich CEO der HCOB wurde. In diesem Zeitraum habe man eine Restrukturierung, Altlastensanierung und ein Staatsbeihilfeverfahren geschafft sowie eine Privatisierung, „die niemand für möglich hielt“, erinnerte Ermisch.

Im Anschluss daran sei in den vergangenen Jahren die Transformation zu einer Bank gelungen, die der spanische Aufsichtsratschef Inciarte in der Online-Konferenz mit Verweis auf Kennzahlen wie Aufwandsquote, Profitabilität und das Niveau ausfallgefährdeter Kredite als eine der besten Banken Deutschlands, Ermischs designierter Nachfolger Banwell sogar als „beste Bank“ bezeichnete. Zum vergangenen Jahreswechsel habe die HCOB schließlich, so Ermisch weiter, den „recht komplizierten“ Wechsel vom Sicherungssystem der öffentlichen in die Einlagensicherung der Privatbanken ge­schafft. Das alles zusammen sei „für ein Managerleben mehr als genug“. Gemeinsam hätten Mitarbeiter, Gremien, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre „ein Stück Bankengeschichte geschrieben“, und er, fügte der Vorstandschef hinzu, sei „sehr stolz, dass ich dazu habe beitragen dürfen und viele Dinge davon auch sehr stark geprägt habe“.

Die Strategie steht

Es sei nun der richtige Zeitpunkt für die Weitergabe des Staffelstabs an Ian Banwell, der die Bank „sehr erfolgreich“ weiterführen werde. Wie Aufsichtsratschef Inciarte anmerkte, soll sich an der strategischen Ausrichtung der HCOB, die auf eine Bilanzsumme von gut 30 Mrd. Euro kommt, nichts ändern. Zu möglichen Plänen für einen späteren Verkauf oder Börsengang der Bank hielten sich Aufsichtsrat und Vorstand zum Abschied von Ermisch bedeckt – Nachfragen in der Konferenz waren nicht zugelassen. Nach dem geglückten Wechsel des Sicherungssystems hatte die HCOB Anfang dieses Jahres Mediendarstellungen, die US-Bank Morgan Stanley lote Optionen für einen Ausstieg der beteiligten Finanzinvestoren aus der Bank ab 2023 aus, nicht dementiert.

Über „alles, was die Zukunft angeht“, werde Ian Banwell ab Oktober sprechen, meinte Ermisch, der mit Blick auf die aktuelle Lage hinzufügte, er gehe „mit Top-Zahlen“ und hinterlasse die Bank „in einem perfekten Zustand mit sehr guten ,Financials‘“. Zu künftigen beruflichen Plänen äußerte sich der noch amtierende HCOB-Chef nicht. Nachfolger Banwell, der im April 2019 als Chief Operating Officer (COO) im Vorstand der Bank begann und im September 2020 CFO wurde, dankte Ermisch bei einem kurzem Auftritt in Englisch für dessen Erfolge. Der Amerikaner, der mit seiner Familie in London lebt, war vorher für den HCOB-Großaktionär Cerberus tätig und arbeitete von 1998 bis 2007 für die Bank of America. 2007 gründete er ein Investment- und Beratungsunternehmen.

Wie die HCOB am Donnerstag weiter mitteilte, behalten Chief Investment Offcer Christopher Brody (54) und Chief Risk Officer Ulrik Lakschewitz (54) unverändert ihre aktuellen Positionen. Lakschewitz ist zudem weiterhin stellvertretender Vorstandschef.

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