Digitalwährungen

Digitaler Euro – das Insolvenzrecht muss mitspielen

Für den Endnutzer muss ein störungsfreier Zugriff auf digitales Geld möglich sein, auch wenn eine Bank pleitegeht.

Digitaler Euro – das Insolvenzrecht muss mitspielen

Von Sven Schelo und

Tobias Klupsch*)

Am 14. Juli hat die EZB den Startschuss für ihr Projekt zum digitalen Euro gegeben. Innerhalb der kommenden zwei Jahre wird nun untersucht, ob und wie sich ein digitaler Euro gestalten lassen kann, der in der Zukunft als digitales Zentralbankgeld das Bargeld ergänzen soll.

Wenn er, wie es die EZB ausdrückt, den Bedürfnissen der Menschen in Europa gerecht werden soll, dann dürfte die stete und schnelle Verfügbarkeit des digitalen Geldes – wie beim Bargeld auch – von großer Bedeutung sein. Nur, wie soll sichergestellt werden, dass der Zugriff der Menschen auf „ihre“ digitalen Euros, so wie man es vom Bargeld kennt, stets uneingeschränkt möglich bleibt? Denn anders als Bargeld wäre ja der digitale Euro kein körperlicher Gegenstand.

Ausgestaltung entscheidend

Insbesondere wenn der Endnutzer letztlich auf Banken oder andere private Dienstleister angewiesen sein sollte, um Zugriff auf seine digitalen Euros zu erhalten, wird es auf den Schutz dieser Zuordnung gegenüber äußeren Einflüssen ankommen. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie störungsfrei dieser Zugriff sein wird, wenn die Bank oder der Dienstleister in die Insolvenz fiele.

Wie hier Insolvenzfestigkeit hergestellt werden kann, hängt maßgeblich von der zukünftigen Ausgestaltung des Systems digitaler Euro ab. Grundsätzlich sind jedoch zwei Wege denkbar: Eine Möglichkeit bestünde darin, dass die EZB die Betreiberfunktion vollständig übernimmt. Der Endnutzer erhielte einen direkten Zugang zu dem System der EZB, über das der digitale Euro verwaltet wird; für private Dienstleister bliebe kein Raum. Zweifellos würde mancher dies begrüßen, denn Zentralbanken können nicht ausfallen. Indes erscheint ein solches Szenario für den digitalen Euro nicht wahrscheinlich. Die EZB hat immer betont, dass der digitale Euro an der Intermediär-Stellung des Finanzdienstleistungssektors nichts ändern soll.

Der Zugriff des Endnutzers auf seine Digitaleurobestände dürfte deshalb, die zweite Möglichkeit, voraussichtlich unter Einbindung privater Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors erfolgen. In Betracht kommen zum Beispiel Lösungen, bei denen Intermediäre, also Banken und andere Finanzdienstleister, das Geld ihrer Kunden als Betreiber entsprechender digitaler Geldbörsen verwahren. Denkbar sind aber auch Ansätze, bei denen Intermediären eine weniger gewichtige Rolle zukommt, so zum Beispiel als Gatekeeper, der die Prüfung und Bestätigung der Identität des Endkunden vornimmt.

Die Ausgestaltung der Struktur müsste auch eine Antwort auf die Frage bereithalten, wie der Endnutzer – vergleichbar der Situation beim Bargeld – unabhängig vom Schicksal des Intermediär zuverlässig und ohne zeitliche Verzögerung über seinen Digitaleurobestand verfügen kann.

Würde das System den Endnutzer an dieser Stelle auf die Möglichkeiten verweisen, die das Insolvenzrecht bietet, blieben Fragen offen. Zumal die Rechtsordnungen der gegenwärtig 19 Mitgliedsstaaten innerhalb der Eurozone in puncto Insolvenzrecht unterschiedlich ausgestaltet sind und die von der Europäischen Kommission angestrebte teilweise Vereinheitlichung des Bankeninsolvenzrechts noch aussteht.

Aus dem Blickwinkel des deutschen Insolvenzrechts könnte es zum Beispiel schon zu Problemen führen, wenn der insolvente Intermediär zwar nur eine untergeordnete Funktion im System ausübt, die Bindung eines Endnutzers an diesen Intermediär aber exklusiv ausgestaltet wäre. Schon aus praktischen Gründen würde die notwendige Trennung vom insolventen Intermediär und der Abschluss einer neuen Vereinbarung mit einem anderen geeigneten Dienstleister dazu führen, dass der Zugang des Endnutzers zu seinen digitalen Euros für eine gewisse Zeit versperrt wäre. Aber auch rechtlich kann ein solcher Wechsel des Intermediärs heikel werden. Denn das Insolvenzrecht gestattet nicht in jedem Fall die Kündigung bestehender Verträge gegenüber einem insolventen Vertragspartner.

Noch augenscheinlicher wären die Risiken, wenn der Intermediär nicht nur eine Gatekeeper-Funktion innehätte, sondern digitale Euros gleichsam treuhänderisch für den Endnutzer hielte. Denn die juristische Meinungsbildung zu der Frage, inwieweit Eigentum an virtuellen Vermögensgegenständen bestehen kann, ist noch nicht abgeschlossen. Allerdings wird man wohl unterstellen können, dass bei einem gesetzlichen Zahlungsmittel, wie es der digitale Euro sein soll, die Möglichkeit nicht in Zweifel stehen wird, ausschließliche Rechte daran zu begründen, die von einer Insolvenz des Intermediär unberührt bleiben. Gegebenenfalls müsste dies aber noch gesetzlich durch eine entsprechende EU-Verordnung klargestellt werden.

Selbst bei (gesetzlicher) Klärung der Eigentumsfrage sind aber noch zwei andere Punkte von Bedeutung: Erstens muss eine klare Abgrenzbarkeit der dem Endnutzer zustehenden digitalen Euros von den eigenen Digitaleurobeständen des Intermediär sichergestellt sein. Eine saubere Trennung der Vermögenssphären wäre stets Voraussetzung für das Recht eines Endkunden, in der Insolvenz des verwahrenden oder treuhänderisch agierenden Intermediärs die Herausgabe seiner digitalen Euros verlangen zu können.

Das zu etablierende System muss deshalb eine sichere und nachvollziehbare Zuordnung des einzelnen digitalen Euros zum berechtigten Endnutzer ermöglichen. Erhielte der Endnutzer – dies wurde im Rahmen der vorbereitenden Überlegungen zum digitalen Euro auch in den Raum gestellt – lediglich einen Wertanspruch, wie dies bei herkömmlichen Bankkonten oder dem e-Geld System der Fall ist, bliebe die Situation unter dem Gesichtspunkt der Ausfallsicherheit für den Endnutzer gegenüber dem Buchgeld unverändert: Zwar gäbe es dann eine digitale Währung, der Endnutzer bliebe aber in der Insolvenz des Intermediär grundsätzlich vom Ausfall bedroht.

Verschiedene Modelle

Zweitens kommt dem Zeitmoment in einem solchen Szenario eine noch größere Bedeutung zu. Es geht nicht nur darum, einen neuen Dienstleister zu finden. Der betroffene Endnutzer muss vielmehr tatsächlich Zugriff auf seine Digitaleurobestände erlangen, was in einem herkömmlichen Insolvenzverfahren ein langwieriger Prozess sein kann. Denn für einen Insolvenzverwalter dürfte schon aus haftungsrechtlichen Gründen ein Handeln in der gebotenen Schnelligkeit kaum darstellbar sein. Muss der Endkunde jedoch Wochen oder gar Monate warten, bis er wieder auf sein Geld zugreifen kann, dürfte das der Attraktivität eines digitalen Euro eher abträglich sein.

An weiteren begleitenden legislativen Schritten auf diesem Gebiet wird deshalb wohl kein Weg vorbeiführen. Mögliche Lösungsmodelle könnten aber aus dem bestehenden Bankabwicklungsrecht übernommen werden. Dort ist ein Eingreifen von Abwicklungsbehörden vorgesehen, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. So kann zum Beispiel bereits heute im Bereich des Bankabwicklungsrechts beziehungsweise bei der Abwicklung zentraler Gegenparteien die zuständige Abwicklungsbehörde treuhänderisch gehaltenen Vermögenswerte des ausfallenden Instituts auf eine gesunde Gesellschaft übertragen.

Brückenintermediär

Ähnliche Modelle gibt es auch bei den Deckungswerten für den Pfandbrief. Möglicherweise ließen sich diese Techniken auch für den digitalen Euro in der Insolvenz oder drohenden Insolvenz des Intermediär fruchtbar machen: Um einen schnellen Zugriff zu gewährleisten, könnte das von dem ausfallenden Intermediär für Endnutzer verwaltete Digitaleuro-Portfolio auf einen bereitstehenden Reserve-Intermediär übertragen werden. Der Endnutzer könnte dann über seine digitalen Euros sofort und reibungslos wieder verfügen. Findet sich auf die Schnelle kein zur Übernahme des Portfolios bereiter Intermediär, könnte auch eine Übertragung auf einen vorsichtshalber bereitgehaltenen Brückenintermediär eine denkbare Lösung sein, analog etwa zur Brückenbank im Rahmen der Bankenabwicklung.

Ein Andocken an die bestehenden Regelungen zur Bankenabwicklung hätte auch den Vorteil, dass eine Akzeptanz des Models in Mitgliedstaaten der Bankenunion schneller hergestellt werden könnte, ohne möglicherweise eine weitgehendere Vereinheitlichung der nationalen Insolvenzrechte im Hinblick Aussonderung von digitalen Eigentumspositionen herbeiführen zu müssen.

*) Dr. Sven Schelo ist Partner, Tobias Klupsch Counsel im Bereich Restrukturierung & Insolvenz der Kanzlei Linklaters in Frankfurt.

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