Bankenaufsicht

EZB gibt Einblick in die Aufsichtspraxis

Die Europäische Zentralbank gibt im Leitfaden zu Bankenbeteiligungen Einblick in die Aufsichtspraxis im Zusammenhang von Übernahmeangeboten.

EZB gibt Einblick in die Aufsichtspraxis

Von Sebastian Pitz und

Heinrich Nemeczek *)

Im Juni 2022 hat die Atlantic Bidco – als gemeinsame Bietergesellschaft der Private-Equity-Unternehmen Centerbridge, Advent und weiteren Konsorten – bekannt gegeben, sich im Rahmen ihres Übernahmeangebots mehr als 83% Prozent der Aktien der Aareal Bank gesichert zu haben. Vor Vollzug der Transaktion muss allerdings ein Inhaberkontrollverfahren (Qualifying Holding Procedure) durchlaufen werden. Für dieses Anzeigeverfahren, das in der Praxis einem Erlaubnisverfahren ähnelt, ist bei Anteilserwerben an Banken und großen Wertpapierfirmen die EZB gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden – in Deutschland die BaFin und die Deutsche Bundesbank – zuständig. Anzeigepflichtig ist unter anderem die Absicht des Erwerbs von Kapital oder Stimmrechten von mindestens 10%.

Die EZB fungiert seit Einführung des SSM im November 2014 als „Herrin des Inhaberkontrollverfahrens“. Ihre seitdem entwickelte Aufsichtspraxis – die sich an die gemeinsamen Leitlinien der EBA, ESMA und EIOPA orientiert – hat die EZB jüngst im bis zum 9. November 2022 konsultierten Guide on Qualifying Holding Procedures veröffentlicht. Die sich draus ergebende Transparenz ist zu begrüßen.

Inhaltlich sind folgende Punkte aus dem Guide besonders erwähnenswert:

An vielen Stellen des Leitfadens geht die EZB auf sogenannte spezifische Erwerber ein. Das sind Private-Equity-Unternehmen, Staatsfonds und Konglomerate. Besonders umstritten ist das von der EZB – ohne Rechtsgrundlage – entwickelte Erfordernis, die Namen und weitere vertrauliche Daten der Investoren in Fonds (Limited Partners, LPs) offenzulegen, die quotal durchgerechnet mehr als 0,5% der Anteile an einer Bank erwerben. Gleichwohl legen die Fondsmanager diese Informationen in der Praxis – teilweise nach längerer Diskussion – regelmäßig dann doch offen, um den Erwerb erfolgreich abzuschließen. Bei erhöhten Geldwäscherisiken und zur Prüfung, ob die Anteile von Limited Partners zusammenzurechnen sind, verlangt die EZB in Sonderfällen auch die Offenlegung unter der Schwelle von 0,5%.

Faktischer Zwang

Weiterhin bekräftigt die EZB ihre weitreichende Auslegung des Konzepts von gemeinsam handelnden Personen (Acting in Concert). Dieses auch aus dem Übernahmerecht und der Stimmrechtspublizität bekannte Instrument nutzt die Aufsicht, um die Stimmrechte verschiedener, grundsätzlich voneinander unabhängiger Erwerber zusammenzurechnen. Die Aufsicht vermutet ein gemeinsames Handeln regelmäßig bei Private-Equity-Konsorten und behält sich vor, alleine aus der Nutzung eines gemeinsamen Akquisitionsvehikels, der Vorlage eines gemeinsamen Geschäftsplans oder einer Gesellschaftervereinbarung auf ein gemeinsames Handeln zu schließen.

Zumindest in öffentlichen Übernahmesituationen, in denen eine gemeinsame Bietergesellschaft unabdingbar scheint, ist dies nicht gerechtfertigt. Gleichwohl entsteht in solchen Situationen, in denen die Erwerber das vorhergesehene Long-Stop-Date einhalten müssen, ein faktischer Zwang, auch Konsorten unter 10% anzuzeigen, da eine längere Diskussion mit der Aufsicht den Erfolg der Gesamttransaktion gefährden würde.

Interessant ist, dass ein Zusammenwirken von aktivistischen Investoren – wie es in der Vergangenheit unter anderem bei der Aareal Bank oder Comdirect Bank zu beobachten war – privilegiert zu sein scheint. Hierzu deutet die EZB an, dass sie aufgrund der vermeintlich positiven Kontrollwirkung nicht ohne weiteres von einer Zusammenrechnung gemeinsam agierender Aktivisten ausgeht.

Bei Bieterverfahren entsteht die Anzeigepflicht nach Ansicht der EZB mit der Abgabe des finalen Angebots (Final Bid). Nach Aussage eines EZB-Vertreters in der Anhörung zum Guide am 19. Oktober 2022 ist unter einem Final Bid allerdings weder ein Non-Binding noch ein typischer Binding Bid zu verstehen. Gemeint sind nur vorbehaltlose Angebote, die unmittelbar verbindlich vom Verkäufer angenommen werden können. Die bisherige Praxis bestand eher dahin, die Erwerbsabsicht bei Bieterverfahren erst kurz vor oder nach Abschluss der final verhandelten Transaktionsdokumente anzuzeigen. Dadurch lässt sich zusätzlicher Aufwand, gerade in kompetitiven Bieterverfahren verhindern.

Zeitgleiche Übermittlung

Sollte die EZB die Aussage im finalen Guide beibehalten, sollten Bieter zukünftig mit Abgabe eines finalen Angebots zeitgleich ein kurzes Anschreiben – ergänzt durch das relevante Anzeigenformular – an die Aufsicht zu übermitteln. Weitere Unterlagen für die vollständige Anzeige können im Anschluss an die Unterzeichnung der Transaktionsdokumente nachgeliefert werden.

In speziellen Fällen hat die Anzeige erst unmittelbar nach Erwerb zu erfolgen. So ist zum Beispiel der vorgelagerte Erwerb von Coco-Bonds durch eine Versicherung, die später in einem Stressszenario zur Rekapitalisierung der Bank gewandelt werden, grundsätzlich nicht anzeigepflichtig. Andererseits – so äußerte sich die EZB in der Anhörung – kann der Erwerb von Coco-Bonds durch einen Distressed-Debt-Investor kurz vor der erwarteten Wandlung durchaus anzuzeigen sein.

*) Sebastian Pitz ist Partner, Dr. Heinrich Nemeczek Counsel bei White & Case in Frankfurt.

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