M&A

Tauschangebot im Spannungsfeld der Rechtssysteme

Die EU ist bemüht, Tauschangebote im Transaktionsgeschäft attraktiver zu machen, doch Deutschland stellt sich quer und geht einen Sonderweg in Europa.

Tauschangebot im Spannungsfeld der Rechtssysteme

Von Siegfried Büttner*)

M&A in Deutschland boomt. Trotz der Pandemie hat sich das Transaktionsgeschäft von seinem kurzzeitigen Einbruch 2020 rasch erholt. Sowohl mit Blick auf die Zahl der Transaktionen als auch ihre Volumina war 2021 ein Rekordjahr. Eine Form der Übernahme führt dabei eher ein Schattendasein: das Tauschangebot. Dies sollte sich durch die EU-Prospektverordnung ändern, doch in Deutschland stellt sich die Rechtsprechung quer.

Das deutsche Recht sieht Bar- und Tauschangebote grundsätzlich als gleichwertig an. Dennoch es hat in jüngerer Vergangenheit nur wenige Tauschangebote gegeben, beispielsweise das Übernahmeangebot von Adtran für Adva Optical Networking. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Neben der Tatsache, dass Barzahlungen meist als attraktivere Gegenleistung angesehen werden, sind Tauschangebote technisch schwieriger durchzuführen. Anders als bei Barangeboten müssen neue Aktien der Bietergesellschaft ausgegeben werden, was zu einer Verwässerung der Beteiligungen der bisherigen Aktionäre führt und eine Börsenzulassung der neuen Aktien erfordert. Überdies müssen prospektgleiche Angaben in die Angebotsunterlage aufgenommen werden, was neben einem zeitlichen Mehraufwand zu höheren Transaktionskosten führt.

Um diese Kosten zu senken und somit die Attraktivität von Tauschangeboten zu erhöhen, hat der europäische Gesetzgeber bei Erlass der EU-Prospektverordnung Tauschangebote unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Stattdessen soll der Öffentlichkeit lediglich ein Dokument zugänglich gemacht werden, das Mindestinformationen zu der Transaktion und ihren erwarteten Auswirkungen auf den Emittenten enthält. Über den genauen Inhalt dieses Dokuments hüllte sich die EU-Kommission lange Zeit in Schweigen. Erst Ende März 2021 (und damit fast vier Jahre nach Erlass der EU-Prospektverordnung) veröffentlichte sie eine delegierte Verordnung, welche die inhaltlichen Anforderungen an das in der deutschen Sprachfassung sperrig titulierte „Dokument für die Inanspruchnahme einer Ausnahme“ festlegt.

Aus Sicht der Praxis hat sich das lange Warten überwiegend gelohnt. So wird parallel zu einem auch im Prospektrecht beobachtbaren Trend nun auch bei Tauschangeboten differenziert zwischen Transaktionen, bei denen Aktien zum Tausch angeboten werden, die mit bereits zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Aktien fungibel sind, und solchen, die über keine solche Fungibilität verfügen. Entsprechend der bereits vorhandenen Kapitalmarkttransparenz müssen Bietergesellschaften somit unter Umständen deutlich weniger umfangreiche Informationen veröffentlichen als bislang. Auch der Umfang der über die Zielgesellschaft zu veröffentlichenden Informationen wurde deutlich reduziert. Das ermöglicht Zeit- und Kosteneinsparungen bei der Erstellung der Angebotsunterlage.

Dem Trend des europäischen Gesetzgebers hin zur Erleichterung von Tauschangeboten folgt das deutsche Recht jedoch nicht. Zwar kann dem teilweise im Wege der Auslegung begegnet werden – etwa bei bislang nicht angepassten Verweisen auf die gegenüber dem bisherigen Recht vereinfachten europarechtlichen Vorschriften. An anderen Stellen werden jedoch neue Hürden geschaffen.

So nahm das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Januar 2021 zu der Frage Stellung, welche Anforderungen bei Tauschangeboten an die Liquidität von Aktien zu stellen sind, die den Aktionären der Zielgesellschaft zum Tausch angeboten werden. Dabei verschärfte es die bisherigen Kriterien erheblich. Zum Tausch angebotene Aktien müssen nunmehr neben strengen Mindestschwellen für das tägliche Handelsvolumen auch einen Mindeststreubesitz von 500 Mill. Euro aufweisen. Da auch die BaFin ihre Spruchpraxis inzwischen an diese Rechtsprechung angepasst hat, bleibt nunmehr einem großen Teil der deutschen Aktiengesellschaften die Durchführung von Tauschangeboten de facto verwehrt.

Daneben werden weitere unplanbare Risiken für Unternehmen geschaffen, welche die neuen Mindestvoraussetzungen an sich erfüllen. So kann etwa der Zukauf größerer Aktienpakete durch institutionelle Anleger (und ein damit verbundener Rückgang des Streubesitzes) ein Tauschangebot auch noch nach Abgabe der Entscheidung zur Veröffentlichung eines Angebots mangels Liquidität unzulässig werden lassen, ohne dass die Bietergesellschaft dies beeinflussen könnte.

Sonderweg

Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt dürfte die Durchführung von Tauschangeboten in Deutschland – entgegen der Stoßrichtung des europäischen Gesetzgebers – zukünftig erheblich erschweren. Auffällig ist, dass Deutschland in Europa insoweit einen Sonderweg zu gehen scheint. In anderen Mitgliedstaaten wird der Liquiditätsbegriff im Übernahmerecht teils deutlich weniger restriktiv ausgelegt.

Mit Blick auf die weitere Entwicklung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts wäre es daher wünschenswert, wenn auch in Deutschland die regulatorischen Hürden für Tauschangebote gesenkt würden.

*) Siegfried Büttner ist Rechtsanwalt bei Kirkland & Ellis in München.