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Verschärfte EU-Sanktionen gegen Russland bergen Überraschungen

Die EU hat im Dezember die Sanktionen gegen Russland verschärft. Das Paket enthält unangenehme Überraschungen für manche Unternehmen.

Verschärfte EU-Sanktionen gegen Russland bergen Überraschungen

Verschärfte EU-Sanktionen gegen Russland sorgen für Überraschung

Auch Firmen ohne direkten Geschäftskontakt mit dem Land betroffen

Von Julia Pfeil *)

Am 18. Dezember 2023 hat die EU – dieses Mal nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit – ein weiteres Mal die Sanktionen gegen Russland verschärft. Während vereinzelt über das neue Einfuhrverbot für Diamanten berichtet worden ist, sind andere Neuregelungen, die sehr viel weiter reichen, schlicht nicht erwähnt worden. Dabei hält das neue Sanktionspaket unangenehme Überraschungen auch gerade für die Unternehmen bereit, die in keinem direkten Geschäftskontakt mit Russland stehen.

Die wichtigste Neuregelung im 12. Sanktionspaket trifft alle Unternehmen, die Produkte in Länder außerhalb der EU und außerhalb der traditionell westlichen Staaten ausführen: Für bestimmte Produkte muss in diesem Fall in alle Verträge über den Verkauf dieser Waren eine Klausel aufgenommen werden, dass die Kunden die Produkte nicht nach Russland weiterliefern (s. Art. 12g der VO 833/2014). Außerdem müssen „wirksame Abhilfemaßnahmen“ vereinbart werden, falls der ausländische Kunde gegen das Weiterlieferungsverbot verstößt.

Rasche Umsetzung

Diese Regelungen müssen bereits ab dem 20. März 2024 in alle neuen Verträge aufgenommen werden; Altverträge müssen bis zum 20. Dezember 2024 angepasst werden. Stellt der europäische Exporteur fest, dass ein Kunde gegen das Weiterlieferungsverbot verstößt, so muss der Exporteur die zuständige Behörde unterrichten. In Deutschland ist das das BAFA.

Die „Weiterlieferungsklauseln“ sind nur für bestimmte Produkte erforderlich. Dazu gehören jedoch integrierte Schaltkreise/Mikroelektronik, Güter für die drahtlose Kommunikation, Satellitennavigation, einfache elektronische Komponenten, Stecker, Navigationsausrüstung, Digitalkameras, mechanische Komponenten und Maschinen und Ausrüstung für die Herstellung von elektrischen Teilen und Schaltkreisen – also Dinge, bei denen es sich zum Teil um einfache Bauteile oder Konsumgüter handelt.

Unklare Praxis

Ob es dabei ausreicht, eine entsprechende Klausel in die AGB aufzunehmen, ist zweifelhaft. In vielen Fällen werden zwischen Unternehmen AGB nicht vereinbart, da Kunden AGB-Abwehrklauseln verwenden. Alle Kunden anzuschreiben, um entsprechende Klauseln ausdrücklich zu vereinbaren, kann sehr aufwendig werden. Außerdem antwortet ein erheblicher Teil der Kunden erfahrungsgemäß nicht. Praktikabel ist vielleicht ein Aufdruck auf Bestellunterlagen, wobei nicht immer sicher ist, ob das zu einer wirksamen Vereinbarung führt, insbesondere wenn ausländisches Recht gilt.

Zweifel ergeben sich auch dahingehend, was eine wirksame Abhilfemaßnahme ist. Da dem europäischen Unternehmen kein Schaden entstehen dürfte, hilft ein Anspruch auf Schadensersatz eher nicht weiter. Nicht nur nach deutschem Recht ist es andererseits ziemlich schwierig, eine Vertragsstrafe wirksam zu vereinbaren. Es spricht einiges dafür, dass es ausreichend sein kann, dass der Exporteur deutlich ankündigt, dass er bei einem Verstoß die Behörden informieren wird.

Unabhängig davon müssen die Exporteure Prozesse schaffen, um sicherzustellen, dass Informationen über Kunden, die betroffene Produkte nach Russland weiterliefern, im Unternehmen weitergegeben werden, damit sie an das BAFA gemeldet werden können.

Erweiterung der Güterlisten

Zu den weiteren wichtigen Regelungen im 12. Sanktionspaket gehört einmal mehr die Ausweitung der Einfuhr- und Ausfuhrverbote durch Änderungen und Erweiterungen der entsprechenden Güterlisten in den Anhängen der VO 833/2014. Dazu gehört unter anderem das bereits angesprochene Verbot, Diamanten, einschließlich Industriediamanten, aus Russland in die EU einzuführen. Außerdem wird die Durchfuhr bestimmter Güter durch Russland zukünftig verboten.

Wie bei den vorherigen Sanktionspaketen gibt es auch hier wieder zeitlich eng begrenzte Übergangsregelungen für bestehende Verträge. Ein dauerhaftes Ärgernis ist dabei, dass die EU nach wie vor die geänderten Güterlisten als ganzes veröffentlicht. Die Änderungen sind in den Listen nicht erkennbar, und die Listen sind nicht elektronisch auswertbar. Im 21. Jahrhundert bleibt Unternehmen daher oft nichts anderes übrig, als mehr als 300 Seiten an neuen Güterlisten von Hand innerhalb von zwei Werktagen mit den bestehenden Listen abzugleichen! Die Begriffe Bürokratieabbau oder Digitalisierung der Verwaltung rücken hier in weite Ferne.

Genehmigungen erforderlich

Schließlich sieht das 12. Sanktionspaket auch Verschärfungen für Güter und Dienstleistungen vor, die für russische Unternehmen und die russische Regierung erbracht werden dürfen. Neu ist ein Verbot, russischen Unternehmen und der russischen Regierung Software für die Unternehmensführung bereitzustellen (Art. 5n VO 833/2014). Verschärfungen gibt es insoweit auch für Tochtergesellschaften von u. a. europäischen Unternehmen in Russland: Bislang galt für diese Gesellschaften eine Ausnahme von den Dienstleistungsverboten; ab dem 20. Juni 2024 sind nun entsprechende Genehmigungen erforderlich. Der Sinn dieser Verschärfung erschließt sich allerdings nicht, denn die Genehmigung ist an keine weiteren Bedingungen geknüpft.

*) Dr. Julia Pfeil ist Rechtsanwältin und Partnerin für Öffentliches Wirtschaftsrecht im Frankfurter Büro von Dentons.

Dr. Julia Pfeil ist Rechtsanwältin und Partnerin für Öffentliches Wirtschaftsrecht im Frankfurter Büro von Dentons.