Diversity

Weg für Frauenquote in der EU ist frei

Die Schaffung einer Frauenquote in EU-Unternehmen ist beschlossene Sache. Brüssel lässt die Mitgliedstaaten zwischen zwei Modellen wählen.

Weg für Frauenquote in der EU ist frei

Von Ursula Neuhoff*)

Unterhändler der EU-Länder und des EU-Parlaments haben sich Anfang Juni dieses Jahres auf einen Richtlinienentwurf geeinigt, der eine verbindliche Frauenquote für Leitungspositionen in börsennotierten Unternehmen vorsieht. Nach der Veröffentlichung eines ersten Richtlinienentwurfs zur Geschlechterbalance der EU-Kommission im Jahre 2012 hatte sich das Vorhaben der Schaffung einer Frauenquote mangels Konsenses lange verzögert. Zwischenzeitlich hat der deutsche Gesetzgeber mit zwei Führungspositionen-Gesetzen, FüPoG I und FüPoG II, eigene Quotenregelungen geschaffen und so die deutsche Unternehmenslandschaft bereits sanft auf strengere EU-Vorgaben vorbereitet. Was ist künftig für deutsche Unternehmen in Sachen Frauenquote Neues zu erwarten?

Geschlechtsneutrale Vorgabe

Wie die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Evelyn Regner mitteilte, sollen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist im Jahr 2026 zwischen zwei Modellen wählen können. Entweder soll eine Geschlechterquote von mindestens 40% bezogen auf nicht geschäftsführende Aufsichtsratsmitglieder eingeführt werden. Die andere Möglichkeit sehe vor, einen durchschnittlichen Frauenanteil von 33% für Aufsichtsräte und Vorstände vorzuschreiben. Die Vorgaben sollen geschlechtsneutral sein: Wenn in einem Gremium mehr Frauen als Männer säßen, würden auch Männer von dieser Regelung profitieren. Unternehmen, die die Quote nicht erreichen, müssen bei der Ernennung der Vorstandsmitglieder transparente und geschlechtsneutrale Kriterien anwenden und das unterrepräsentierte Geschlecht priorisieren, wenn zwei Kandidaten unterschiedlichen Geschlechts gleichermaßen qualifiziert sind.

Neben den Quoten soll die Richtlinie verbindliche Auswahlvorgaben für Aufsichtsratsmitglieder, Auskunftsrechte abgelehnter Bewerber und Berichtspflichten vorsehen. Die Auswahl- und Berichtspflichten sollen mit wirksamen Sanktionen bewehrt werden, zu denen etwa Geldbußen und die Nichtigkeit der Ernennung gehören können.

In Deutschland wurde bereits 2015 mit dem FüPoG I eine gesetzliche Frauenquote eingeführt. Unternehmen, die sowohl börsennotiert sind als auch der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, haben seit 2016 bei Neubesetzungen eine Quote von 30% einzuhalten. Bei Nichterreichen bleiben die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Stühle leer. Im vergangenen Jahr wurde das FüPoG II verabschiedet, wonach auch der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens, der aus mehr als drei Mitgliedern besteht, mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein muss. Das Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand gilt für Vorstandsbestellungen ab dem 1. August 2022. Unter Geltung der neuen Besetzungsregelung für den Vorstand ist der Frauenanteil in den Dax-Vorständen auf einen neuen Höchststand geklettert: Laut einer Studie der Allbright-Stiftung lag der Frauenanteil zum 1. März 2022 bei 14,3%. Zum selben Zeitpunkt lag der Frauenanteil in Aufsichtsräten bei 32,9%.

Für nur börsennotierte, aber nicht zugleich paritätisch mitbestimmte Unternehmen gilt bislang lediglich die Verpflichtung, Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und den zwei nachfolgenden Führungsebenen zu setzen und über deren Erreichung zu berichten. Zulässig ist hier grundsätzlich aber auch, sich eine Zielgröße von null zu setzen.

Nach der Verständigung auf einen gemeinsamen Richtlinienentwurf müssen den Entwurf nunmehr noch die EU-Mitgliedstaaten und das europäische Parlament bestätigen. Dies gilt als Formsache, sodass sich die Frage stellt, welche praktischen Herausforderungen die Umsetzung der Richtlinie für die Unternehmenspraxis in Deutschland bereithält.

Auswahlprozesse überprüfen

Mit Spannung ist zunächst zu erwarten, für welche Umsetzungsoption sich der deutsche Gesetzgeber entscheiden wird. Bei beiden Modellen dürften die bisher schon von festen Besetzungsregeln nach FüPoG I und II betroffenen Unternehmen bereits gut für die Umsetzung der neuen Quoten aufgestellt sein. Börsennotierte Unternehmen, die bisher noch nicht quotenbetroffen waren, sollten sich spätestens jetzt vorbereiten und z.B. in den Aufbau entsprechender Besetzungspipelines investieren. In jedem Fall werden alle betroffenen Unternehmen ihre Auswahlprozesse und -dokumentation aufgrund der neuen Vorgaben überprüfen müssen.

Unberührt bleiben von der geplanten Richtlinie die nicht börsennotierten Unternehmen, insbesondere also die GmbH. Zurücklehnen sollte man sich aber auch hier nicht: Bereits im Gesetzgebungsprozess des FüPoG II standen strengere Vorgaben für große GmbHs in Diskussion. Zuletzt waren insbesondere nicht börsennotierte Familienunternehmen wegen geringer weiblicher Beteiligung in Führungsgremien in die Kritik geraten. Dass der deutsche Gesetzgeber zum Nachlegen bereit ist, wenn weiche Vorgaben zu keiner Veränderung führen, hat er mit dem FüPoG II bereits einmal bewiesen.

*) Dr. Ursula Neuhoff ist Assoziierte Partnerin von Flick Gocke Schaumburg in Bonn.