RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: BORIS KASOLOWSKY UND MINA ARYOBSEI

Lieferkettengesetz erweitert Sorgfaltspflichten von Unternehmen

Beweislast trägt der Kläger - Neue Technologien helfen bei Umsetzung

Lieferkettengesetz erweitert Sorgfaltspflichten von Unternehmen

Herr Kasolowsky, Frau Aryobsei, die Beratungen zum geplanten Sorgfaltspflichtengesetz für Unternehmen wurden erneut von der Agenda der Kabinettssitzung gestrichen. Inwiefern könnten deutsche Unternehmen für das Handeln ihrer Geschäftspartner bei Verstößen gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten haftbar gemacht werden?Kasolowsky: Die diesbezüglichen Vorgaben sind innerhalb der Bundesregierung umstritten. In der deutschen Rechtsordnung, insbesondere im Deliktsrecht, ist bisher eine Haftung von Unternehmen für rechtlich völlig unabhängige Unternehmen in der Lieferkette nicht vorgesehen. Das Eckpunktepapier des Bundesarbeitsministeriums und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit von Ende Juni enthält nun erste Anhaltspunkte dafür. Anknüpfungspunkt dabei ist nicht das Fehlverhalten der jeweiligen Geschäftspartner, sondern das Unterlassen eines Unternehmens selbst, diese Geschäftspartner risikoangemessen zu kontrollieren. Danach sollten Unternehmen nur dann zivilrechtlich haften, wenn die Rechtsgutsverletzung (an den Rechtsgütern Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und das allgemeine Persönlichkeitsrecht) bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht vorhersehbar und vermeidbar war. Von den Unternehmen wird dementsprechend verlangt, dass sie sich in angemessener Weise bemüht haben, die Risiken abzuwenden. Es ist nicht verlangt, dass sie einen solchen Verstoß in jedem Falle verhindern müssen. Die Beweislast trägt wie immer üblich auch hier der Kläger. Aktuell wird unter anderem diskutiert, ob unternehmerische Sorgfaltspflichten auch den Umweltschutz miteinschließen sollen. Ist eine solche Erweiterung denkbar?Kasolowsky: Das Eckpunktepapier bezieht sich nur mittelbar auf umweltrechtliche Sorgfalt und umfasst nur solche Fälle, in denen Umweltschutz auch menschenrechtlichen Bezug aufweist. Aus der Perspektive des deutschen Gesetzgebers erscheint es zunächst nachvollziehbar, dass noch keine konkreten umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten vorgeschrieben werden. Denn im Gegensatz zu den (internationalen) Kodifizierungen von Menschenrechten gibt es solche für den Umweltschutz auf internationaler Ebene noch nicht. Allein Frankreich hat den Schritt der gesetzlichen Verpflichtung zu umweltrechtlicher Sorgfalt gewagt. Sollten umweltrechtliche Sorgfaltsstandards allerdings auf europäischer Ebene verbindlich werden – wie derzeit geplant -, würde auch der deutsche Gesetzgeber entsprechende Regeln erlassen müssen. Können betroffene Unternehmen die diskutierten Anforderungen überhaupt umsetzen?Aryobsei: Das Gesetz sollte die Sorgfaltspflichten angemessen ausgestalten, so dass die Unternehmen den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden können. Im Detail hängt die Umsetzung davon ab, welche konkreten Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden. Herausfordernd hierbei sind insbesondere komplexe Lieferketten, die mehrere Zulieferer enthalten. In diesem Zusammenhang könnten zum Beispiel neue Technologien helfen; so prüft die Bundesregierung derweil die Nutzung von Blockchain, um Transparenz entlang der Wertschöpfungskette zu schaffen. Wie sind die Erfahrungen in anderen Ländern?Aryobsei: Dass die Schaffung von Transparenz in der Liefer- und Wertschöpfungskette prinzipiell möglich ist, zeigen diejenigen Unternehmen, die bereits erfolgreich entsprechende Sorgfaltspflichtensysteme aufgebaut haben. In Frankreich und in absehbarer Zeit auch in den Niederlanden wurden entsprechende gesetzliche Anforderungen bereits realisiert. Diese Maßnahmen werden aber mit Kosten verbunden sein, und die betroffenen Unternehmen werden Zeit brauchen, um entsprechende Schritte/Maßnahmen intern implementieren zu können. Das erwähnte Eckpunktepapier nimmt dies bereits in den Blick und sieht hierfür eine dreijährige Übergangsfrist vor. *) Dr. Boris Kasolowsky ist Partner und Dr. Mina Aryobsei Principal Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Helmut Kipp.