Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Norbert Bröcker

Managervergütung zunehmend Thema der Hauptversammlung

Unternehmen sollten Beschlussfassung jedes Jahr auf die Tagesordnung setzen

Managervergütung zunehmend Thema der Hauptversammlung

– Herr Dr. Bröcker, in der beginnenden Hauptversammlungssaison können Aktionäre hierzulande erstmals über die Vergütungssysteme befinden. Was wird dabei zur Abstimmung gestellt?Gegenstand der Abstimmung ist allein das System der Vorstandsvergütung insgesamt. Dazu gehört etwa das Verhältnis fixer zu variablen Vergütungsbestandteilen, aber künftig sicher auch die generelle Gestaltung der variablen Vergütung, die nach den Änderungen durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vermehrt auf die Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolgs abstellen muss. Wichtig ist, dass nicht über einzelne Beträge abgestimmt werden kann oder gar darüber, ob der Dienstwagen des Vorstandsvorsitzenden eine Nummer zu groß ist.- Es sind ausgiebige Debatten der Aktionäre über die Managerbezahlung zu erwarten – wie tiefgehend muss der Aufsichtsrat hier antworten?An der – übrigens auch bislang schon recht umfassenden – Verpflichtung der Verwaltung, Auskunft über die Vorstandsvergütung zu geben, hat sich nichts geändert. Die Aktionäre haben also keine weitergehenden Auskunftsansprüche als bisher. Rein faktisch wäre es aber nicht überraschend, wenn jetzt vermehrt Fragen zur Vorstandsvergütung gestellt würden. Genau das war letztlich auch ein Ziel des VorstAG. Der Grundgedanke hierbei ist, der Aufsichtsrat werde sich bei den Vorstandsgehältern im Zweifel mehr zurückhalten, wenn er sich in der Hauptversammlung zunehmend dafür rechtfertigen muss. Ob das funktioniert oder ob nicht bloß eine unsachliche und unfruchtbare Neiddebatte gesetzlich gefördert wird, muss man abwarten.- Welche rechtlichen Folgen hat es, wenn sich die Mehrheit der vertretenen Anteilseigner gegen das Entlohnungsmodell ausspricht?Unmittelbar hat dies überhaupt keine Folgen: Das Aktiengesetz stellt selbst klar, dass die Entscheidung der Aktionäre “weder Rechte noch Pflichten” begründet. Angefochten werden kann der Beschluss über die Vorstandsvergütung übrigens auch nicht, damit es für die sogenannten Berufskläger keine neuen Betätigungsmöglichkeiten gibt.- Kann das Votum nicht doch Grundlage für rechtliche Schritte werden, wenn zum Beispiel die Angemessenheit der Vergütung in einer Klage im Mittelpunkt steht?In der Tat zielt die neue Gesetzesregelung auch an dieser Stelle mehr auf eine faktische Wirkung. Nach einem Aktionärsbeschluss, der die Vorstandsvergütung missbilligt, wird ein Aufsichtsrat besonders sorgfältig prüfen müssen, ob er dem Vorstand eine angemessene oder nicht vielleicht doch eine überhöhte Vergütung gewährt hat. Sollte es tatsächlich einmal zu einem Rechtsstreit kommen, in dem der Aufsichtsrat wegen Zahlung zu hoher Vorstandsgehälter in Anspruch genommen wird, wäre es für die Position des Aufsichtsrats sicher nicht hilfreich, wenn er über Jahre missbilligende Voten der Hauptversammlung tapfer ignoriert hätte. Allerdings dürfte ein solcher Rechtsstreit eine absolute Ausnahme bleiben.- Ist es den Unternehmen zu empfehlen, das Vergütungsvotum jedes Jahr auf die Tagesordnung zu setzen?Aus mehreren Gründen ja. Zunächst ist zu erwarten, dass viele Unternehmen – gerade die großen – diesen Punkt in ihre Tagesordnungen aufnehmen werden, also eine Art Gruppendynamik entsteht, der sich ein Unternehmen nur schlecht entziehen kann. Außerdem kann eine Diskussion über die Vorstandsvergütung nicht verhindert werden, wenn ein solcher Beschluss nicht auf der Tagesordnung steht; gibt es dann eine Diskussion, ist der Aufsichtsrat aber sofort in der Defensive. Und drittens schließlich gibt ein deutlich positives Votum dem Aufsichtsrat auch gewisse Sicherheit, dass er bei der Bezahlung seines Vorstands richtig liegt. Das führt freilich zu einem wichtigen Punkt: Bevor ein Aufsichtsrat die Entscheidung über die Vorstandsvergütung auf die Tagesordnung setzt, sollte er sich bei den wesentlichen Aktionären ein Bild darüber verschafft haben, ob diese auch zustimmen werden. Ein negatives Votum wäre nämlich sicher noch schlechter als gar kein Beschluss.—-Dr. Norbert Bröcker ist Partner der Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner in Düsseldorf. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.