RECHT UND KAPITALMARKT

Verbandssanktionengesetz schreitet voran

Für die Praxis sind Regelungen zu internen Untersuchungen besonders relevant

Verbandssanktionengesetz schreitet voran

Von Thomas Grützner und Tim Wybitul *)Trotz der jüngsten Diskussionen im Bundesrat schreitet die Entwicklung des Verbandssanktionengesetzes voran. Nun rücken auch inhaltliche Einzelfragen des umstrittenen Vorhabens wieder in den Mittelpunkt der Diskussion. Für die Praxis sind die Regelungen zu internen Untersuchungen besonders wichtig. Erfüllt ein Unternehmen die vorgesehenen Anforderungen an interne Untersuchungen, winken erheblich reduzierte Sanktionen. In den bislang diskutierten Fassungen des Gesetzentwurfs für das Verbandssanktionengesetz gab es einige Änderungen, welche die Frage aufwerfen, ob der genannte “Sanktionsrabatt” voraussetzt, dass das Unternehmen bei der internen Untersuchung auch die Vorgaben des Datenschutz- und Arbeitsrechts einhält. Viele einschlägige Vorgaben des Datenschutzes und des Arbeitsrechts sind unbestimmt oder höchstrichterlich nicht entschieden. Bereits Auslegungsfragen könnten daher die Hoffnung des Unternehmens zunichtemachen, durch Aufklärung und Offenlegung “mit einem blauen Auge davonzukommen”.Die Entwurfsfassung vom August 2019 setzte für den Sanktionsrabatt noch voraus, dass die Untersuchung “in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt wird”. Diese Anforderung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen. Dies legt den Schluss nahe, dass die Sanktionsmilderung eventuell nicht mehr von der gesetzestreuen Durchführung der Untersuchung abhängen soll. Dies greift jedoch zu kurz. Denn auch die Begründung des aktuellen Gesetzentwurfs sieht vor, dass es nach wie vor “selbstverständlich [sei], dass [die Untersuchungen] in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt werden”. Das legt nahe, dass die gesetzliche Regelung lediglich redaktionell gekürzt wurde, sich aber nicht inhaltlich ändern soll.Zudem sieht auch die aktuelle Entwurfsfassung vor, dass “Befragungen” stets die Grundsätze eines fairen Verfahrens beachten müssen. Ob sich dieses Erfordernis tatsächlich nur auf Mitarbeiterinterviews beschränkt oder aber die komplette interne Untersuchung betrifft, wird das weitere Gesetzgebungsverfahren zeigen. Jedenfalls liegt auf der Hand, dass ein faires Verfahren auch voraussetzt, dass das Unternehmen bei Untersuchungen geltendes Recht umsetzt, also auch datenschutz- und arbeitsrechtlichen Vorgaben. Auch eine weitere Überlegung spricht für diese Auslegung. Denn das Unternehmen muss “wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Verbandstat und die Verbandsverantwortlichkeit aufgeklärt werden konnte”. Datenschutzverstöße können aber dazu führen, dass die unternehmensinternen Ermittlungserkenntnisse später in Gerichtsverfahren nicht verwertet werden dürfen – dann können die gesammelten Erkenntnisse auch keinen wesentlichen Beitrag leisten. Unternehmen sind daher gut damit beraten, auf eine rechtskonforme Ermittlung zu achten.Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus einer datenschutz- und arbeitsrechtskonformen Durchführung bzw. aus entsprechenden Verstößen? Anders als in der vorherigen Entwurfsfassung “kann” das Gericht die Sanktionsmilderung nicht mehr annehmen, sondern “soll” dies tun. Juristisch übersetzt heißt das, dass dem Richter in Bezug auf die Sanktionsmilderung ein geringerer Ermessensspielraum zusteht. Setzt das Unternehmen bei der Untersuchung datenschutz- und arbeitsrechtliche Vorgaben (sowie die weiteren vorgesehenen Voraussetzungen eines Sanktionsrabatts) um, muss der Richter den gemilderten Sanktionsrahmen anwenden. Das bringt allen Beteiligten mehr Rechtssicherheit. Umgekehrt heißt das jedoch auch: Mögliche Rechtsverstöße eröffnen dem Richter einen Ermessensspielraum. Richtigerweise darf dabei nicht jeder kleinste Verstoß gegen datenschutz- oder arbeitsrechtliche Bestimmungen eine Sanktionsmilderung ausschließen, sondern nur solche Fehler, die sich insgesamt als “unfair” erweisen. Wo hier die genaue Grenze verläuft, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu klären. Dies ist eine Frage, mit der sich die Praxis in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Abgesehen von einer möglichen Sanktionsmilderung ist die Beachtung der rechtlichen Vorgaben bei Aufklärungsmaßnahmen auch im Rahmen des allgemeinen richterlichen Sanktionsermessens positiv zu berücksichtigen. Hohe BußgelderAus der praktischen Brille folgen aus den Anpassungen im aktuellen Regierungsentwurf wohl keine großen Änderungen gegenüber vorherigen Entwurfsfassungen. Die Einhaltung der datenschutz- und arbeitsrechtlichen Vorgaben bei der Durchführung interner Untersuchungen bleibt nach wie vor von großer Bedeutung. Dies betrifft sowohl die grundsätzliche Frage nach dem Erhalt des Sanktionsrabatts als auch die sich anschließende Sanktionszumessung. Bereits nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung drohen bei Fehlern im Datenschutz hohe Bußgelder, Schadenersatzforderungen betroffener Personen und sonstige Nachteile. Daneben setzt auch das angedachte Verbandssanktionengesetz einen starken Anreiz für rechtskonforme interne Untersuchungen. *) Prof. Dr. Thomas Grützner und Tim Wybitul sind Partner der Kanzlei Latham & Watkins in München und Frankfurt.