Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Karl J. T. Wach

Wenn zwei sich streiten, sind schnell weitere Parteien dabei

Streitverkündung holt nicht Mitverklagte ins Boot - Aktueller Fall Zementkartell

Wenn zwei sich streiten, sind schnell weitere Parteien dabei

wb – Im August 2005 reichten 28 mittelständische Zementabnehmer beim Landgericht Düsseldorf eine Schadenersatzklage in dreistelliger Millionenhöhe gegen die Zementkonzerne Dyckerhoff, Lafarge und Cemex Deutschland (vormals Readymix) ein. Bereits im November war die Klage erweitert und um zusätzliche Schadenersatzforderungen erhöht worden. Die Mittelständler werfen den Konzernen vor, illegale Preisabsprachen getroffen zu haben. Aufgrund dieser Absprachen hätten sie deutlich überhöhte Preise zahlen müssen. Die beklagten Konzerne haben ihrerseits etwa 30 weiteren Zementherstellern den Streit verkündet. Die Börsen-Zeitung befragte Karl Wach von der Kanzlei Ashurst dazu. – Herr Dr. Wach, was bedeutet eine solche Streitverkündung? Die Streitverkündung ist nicht die Ankündigung, mit jemandem einen Rechtsstreit führen zu wollen, wie der Begriff nahe legen könnte, sondern die förmliche Benachrichtigung einer Prozesspartei an einen Dritten über die Anhängigkeit eines Rechtsstreits. – Was bringt die Streitverkündung im Zementkartellprozess? Die Streitverkündung ist zum einen die prozessuale Einladung, die nicht mitverklagten Kartellverdächtigen und damit auch deren Tatsachenkenntnis mit ins Boot zu holen. Zum anderen ist die Streitverkündung sinnvoll, weil die auf Schadenersatz verklagten Zementhersteller im Falle ihrer Verurteilung einen Regressanspruch gegen die nicht verklagten Hersteller haben können. – Es kann also später einen weiteren Prozess unter den Zementherstellern geben? Richtig. Bei einem Kartell haften grundsätzlich alle Kartellmitglieder als Gesamtschuldner für den durch die Wettbewerbsverletzung entstandenen Schaden. Bei mehreren Gesamtschuldnern kann sich der Geschädigte aussuchen, wen er vor Gericht bringt. Er kann dabei unabhängig vom internen Verantwortungsbeitrag jedes Mitglied auf den vollen Schaden verklagen. Sind wie im Düsseldorfer Verfahren nur einzelne Unternehmen verklagt, müssen sie daher den gesamten durch das angebliche Kartell verursachten Schaden ersetzen, falls die Klage Erfolg hat. Unter den Kartellmitgliedern muss sich allerdings jedes gemäß seinem Verantwortungsbeitrag an etwaigen Schadenersatzleistungen beteiligen. Die Zementhersteller, die Schadenersatz geleistet haben, können dementsprechend von den übrigen Herstellern verlangen, dass diese sich an der Schadenersatzleistung beteiligen. Tun sie dies nicht freiwillig, kann es einen Regressprozess unter den Zementherstellern geben. – Wie wirkt sich die Streitverkündung auf diesen weiteren Prozess aus? Im Regressprozess kann eine Sach- oder Rechtsfrage, die im Haftungsprozess eine Rolle spielte, anders entschieden werden. So könnte der Richter in Düsseldorf zu der Auffassung kommen, dass ein Kartell bestand, während der Richter im Regressprozess kein Kartell feststellt. Dies ist etwa möglich, wenn der in Regress Genommene durch einen neuen Zeugen den Kartellvorwurf insgesamt entkräften kann. Ein solches Ergebnis wäre für den bereits Verurteilten besonders bitter, hätte dieser Zeuge, der nun den Regress vereitelt, doch die eigene Verurteilung verhindern können. – Und da hilft die Streitverkündung?Ja, sie hat zur Folge, dass der Streitverkündungsempfänger die Ergebnisse des Haftungsprozesses im Prinzip im Regressprozess gegen sich gelten lassen muss. Wenn er also seinen besagten Zeugen im Haftungsprozess nicht bringt, kann er im Regressprozess nicht mehr von ihm profitieren. – Werden sich die Zementhersteller, denen der Streit verkündet wurde, am Düsseldorfer Verfahren beteiligen? Eine Antwort wäre spekulativ. Es spricht allerdings einiges dafür. Die durch die Streitverkündung bewirkte Bindung an das Ergebnis des Vorprozesses gilt nämlich unabhängig davon, ob der Streitverkündungsempfänger sich an dem Vorprozess beteiligt hat oder nicht. Wollen die weiteren Zementhersteller auf dessen Ergebnis Einfluss nehmen, müssen sie sich also beteiligen. – Was ist noch zu beachten? Die Bindung wirkt nur zugunsten und nicht zulasten der Partei, die den Streit verkündet hat. Würde etwa im Düsseldorfer Verfahren festgestellt, dass die verklagten Zementhersteller die überwiegende Verantwortung für das Kartell tragen, könnten sich die anderen trotz der Streitverkündung im Regressprozess nicht darauf berufen. Deshalb kann es für den Streitverkündungsempfänger ratsam sein, seinerseits eine Streitverkündung gegen die verkündende Partei auszusprechen. Dann herrscht im Regressprozess Waffengleichheit. Da auch die sechs im Haftungsprozess verklagten Zementhersteller ihr Innenverhältnis klären müssen, könnten diese sich auch untereinander den Streit verkünden.Dr. Karl J. T. Wach ist Partner im Münchener Büro von Ashurst und Leiter der Practice Group Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland. Die Fragen stellte Walther Becker.