JahresschlussTarifpolitik

Mitarbeiterbeteiligung – (k)ein rotes Tuch für Gewerkschaften

Ein immer größerer Teil der Wertschöpfung wird nicht über Arbeitskraft erzeugt, sondern durch Maschinen, Roboter und Software. Daher sinkt auch die Lohnquote insgesamt. Mit einer Mitarbeiterbeteiligung könnten auch die Beschäftigten ein Stück vom Kuchen abbekommen.

Mitarbeiterbeteiligung – (k)ein rotes Tuch für Gewerkschaften

Mitarbeiterbeteiligung

(K)ein rotes Tuch

lz Frankfurt
lz Frankfurt

Der Kapitalanteil an der Wertschöpfung in einem Unternehmen steigt seit Jahrzehnten unaufhörlich. Auf die Spitze getrieben wird es etwa in Plattformunternehmen, wo wenige Manager und Programmierer einen ganzen globalen Marktplatz gestalten und dominieren. Jeder Akteur auf dieser Plattform – Kunden, Verkäufer, Dienstleister – zahlt dafür in Form von Aufmerksamkeit, Werbung oder eines Aufschlags auf die Preise, was dann den (wenigen) Eigentümern zufließt.

Auch in der Industrie steigt der Kapitalanteil enorm an. Zunächst war es die Industrialisierung und Fließbandfertigung, dann die immer weiter fortschreitende Automatisierung, zuletzt der vermehrte Robotereinsatz und aktuell die Vernetzung aller Produktionen sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Folge: Die Profitquote steigt, die Lohnquote sinkt.

Konkurrenz zu höheren Löhnen

Das müsste die Gewerkschaften eigentlich auf den Plan rufen. Höhere Löhne sind häufig nicht möglich, weil die Globalisierung und der Wettbewerb dann eine Verlagerung der Produktion mit sich brächten. Naheliegender wäre daher eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung der Angestellten an den sie beschäftigenden Unternehmen. In der Politik ist denn auch immer wieder von „Investivlohn“ die Rede oder von „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“. Vor allem in der katholischen Soziallehre und in der CDU/CSU werden solche Modelle immer wieder ventiliert.

Aber so richtig in Schwung kam die Debatte nie. Die Gewerkschaften schreckten davor zurück, weil sie eine Verwässerung ihres Anliegens befürchten bis hin zu einer Spaltung der Belegschaft. Denn wie sollten sich Arbeitnehmer bei Lohnverhandlungen verhalten, wenn sie gewissermaßen „doppeltes Risiko“ tragen: den Verlust des Jobs und den Verlust von Rendite im Falle einer Insolvenz? Das hätte die Gewerkschaften in Tarifauseinandersetzungen gehemmt. Und umgekehrt haben es auch die Arbeitgeber nicht gerne, wenn die Arbeitnehmerseite gerade in mitbestimmten Unternehmen zusätzlich auch aufseiten der Anteilseigner vertreten ist.

Künstliche Intelligenz als Turbo

Allerdings geht mit einer Mitarbeiterbeteiligung in der Regel auch eine höhere Motivation der Arbeitnehmer einher. Sie stärkt außerdem den Zusammenhalt zwischen Arbeitnehmerschaft und Managern, was wiederum aber bei den Gewerkschaften die Alarmglocken schrillen lässt, weshalb sie im Moment nur einer bundesweiten Fondslösung und einer Ausweitung der Mitbestimmung zustimmen würden.

Doch mit der Vernetzung der Betriebe über den Globus hinweg, der schnellen Verlagerung von Produktion ins Ausland und der künstlichen Intelligenz (KI), die aktuell immer noch in den Kinderschuhen steckt, muss die Debatte neu gestartet werden. Denn KI erweitert das Spektrum der automatisierbaren Aufgaben deutlich über den Bereich der routinemäßigen Tätigkeiten hinaus. Sie ist eine Universaltechnologie, weshalb fast jeder Sektor und Beruf davon betroffen sein wird, und das Tempo der Entwicklung ist beispiellos. Warum sollten Mitarbeiter, welche die Veränderung begleiten und betreiben, nicht einen Teil des „Arbeitslohns“ der KI in Form einer Beteiligung am Kapitaleinsatz einfordern? Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann schließlich das volle Potenzial der KI in den Unternehmen erschlossen und realisiert werden.