Corporate Governance

Anleger pochen auf ihre Rechte in Online-HV

Investoren lassen kein gutes Haar am Gesetzentwurf zu virtuellen Hauptversammlungen. Sie sehen die Aktionärsrechte erheblich eingeschränkt, weil ihnen ein echter Dialog in den Online-Formaten verwehrt wird.

Anleger pochen auf ihre Rechte in Online-HV

swa Frankfurt

Der Gesetzesvorschlag zur Verankerung der in Pandemiezeiten temporär eingeführten virtuellen Hauptversammlung (HV) ins Aktienrecht stößt bei institutionellen Anlegern auf Widerstand. Dabei wird im Kreis der Investoren durchaus goutiert, dass einzelne Entscheidungs- und Informationsprozesse vor die Versammlung vorgezogen werden sollen, um alte Zöpfe abzuschneiden, die Veranstaltungen zu entschlacken und höhere Transparenz zu gewährleisten.

Für großes Unverständnis sorgt jedoch der Passus im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, wonach Aktionären in der Online-HV zwar eine Redemöglichkeit über Videokommunikation zu gewähren ist, sie in dieser Live-Schalte aber keine Fragen stellen dürfen. Falls sie es doch tun, gilt die Frage im rechtlichen Sinne als nicht gestellt. Fragen und Nachfragen sollen in diesem Modell ausschließlich über elektronische Kommunikationswege laufen, die das Unternehmen einrichtet.

Aus Sicht des Fondsverbands BVI steht der Gesetzesvorschlag im Widerspruch zum Koalitionsvertrag der Ampel, wonach Aktionärsrechte in virtuellen Hauptversammlungen uneingeschränkt gewährt werden sollen. „Demokratie braucht Debatte. Für Aktionäre soll das künftig nicht mehr gelten“, moniert Timm Sachse, Corporate-Governance-Experte des deutschen Fondsverbands.

Die neuen Regelungen gewährten zwar mehr Rechte als die Notfallgesetzgebung zur virtuellen Hauptversammlung in Pandemiezeiten. Aber die Aktionärsrechte seien im Referentenentwurf im Vergleich zum geltenden Aktiengesetz weiterhin stark eingeschränkt, denn es sei keine Generaldebatte mehr möglich. „Aktionäre brauchen nicht nur die Redemöglichkeit, sondern ein mündliches Frage- und auch Auskunftsrecht in der Hauptversammlung, denn sonst kann sich zwischen Unternehmen und Anlegern keinerlei Dialog entwickeln“, sagt Sachse.

Unternehmen haben aus Sicht des BVI bislang in virtuellen Hauptversammlungen „wenig Innovationsfreude“ bewiesen. Deshalb könnten Investoren auch nicht darauf setzen, dass die Gesellschaften künftig über die geplanten Mindeststandards hinausgehen werden.

Leitartikel Seite 6

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