Energiepolitik

Japan will neue Atom­reaktoren in Betrieb nehmen

Japans Premier Kishida will die Laufzeit seiner Atomkraftwerke verlängern und den Bau von Reaktoren der neuen Generation ermöglichen – und zieht damit andere Schlüsse als Berlin aus der Fukushima-Katastrophe und der Klimaerwärmung.

Japan will neue Atom­reaktoren in Betrieb nehmen

Während in Deutschland mit Blick auf den Winter nur über verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke gestritten wird, will das erdbebengefährdete Japan sogar weitere neue Meiler ans Netz bringen. Wie japanische Medien am Mittwoch berichteten, will die Regierung von Ministerpräsident Fumio Kishida die Laufzeiten von AKW nicht nur auf über 60 Jahre verlängern. Die Regierung erwäge sogar die Entwicklung und den Bau von Atomkraftwerken der nächsten Generation. Dies wäre eine Abkehr von Japans bisheriger Linie, keine zusätzlichen AKW zu bauen.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 in Folge eines schweren Erdbebens und eines gewaltigen Tsunami führte Japan strengere Sicherheitsstandards ein, die den Betrieb von Reaktoren grundsätzlich auf 40 Jahre begrenzten. Ein Betrieb für weitere 20 Jahre ist jedoch möglich, wenn Sicherheitsverbesserungen vorgenommen werden. Bislang haben 17 Atomkraftwerke die verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt.

Regierungschef Kishida hatte kürzlich erklärt, dass Japan in diesem Winter bis zu neun der Kernreaktoren in Betrieb haben werde. Die übrigen sollen ab nächstem Jahr ebenfalls ans Netz genommen werden, berichteten japanische Medien. Die Nummer Drei der Weltwirtschaft hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Fiskaljahr 2030 (Beginn 1. April) 20 bis 22 Prozent seiner Stromversorgung aus Atomenergie zu erzeugen.

Auch Kanada setzt auf Atomkraft

Neben Japan hat auch Kanada sich kürzlich dazu bekannt, die Atomkraft – im Gegensatz zu Deutschland – weiter auszubauen. Das Land verfügt über die weltweit zweitgrößten Uran-Vorkommen. „Es gibt eine Rolle für Atom beim Weg in die klimaneutrale Wirtschaft“, betonte Kanadas Premier Justin Trudeau und sprach von neuen Reaktortypen.

… und europäische Länder

Auch in Europa setzen immer mehr Staaten wieder auf Kernenergie. In Großbritannien wird mit Hinkley Point C das erste AKW seit mehr als 20 Jahren gebaut, das Kraftwerk Sizewell soll ebenfalls einen neuen Block erhalten. Auch in Frankreich und weiteren EU-Staaten werden neue Meiler errichtet. In Schweden werben liberale Politiker vor der Reichstagswahl Mitte September wegen der hohen Energiepreise ebenfalls für einen Ausbau der Atomkraft.

Sinn: Atomausstieg grundfalsch

Der frühere Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hält den deutschen Ausstieg aus der Atomkraft auch deshalb für grundfalsch. Deutschland sei jetzt der „Geisterfahrer auf der Autobahn: das einzige Land auf der Erde, das noch aus der Atomkraft aussteigt“, sagte er im Interview mit der Zeitschrift Cicero. Sinn: „Wir behaupten, wir hätten die Weisheit gepachtet und alle anderen müssten uns jetzt folgen. Es folgt uns nur keiner. Das sollte doch zu denken geben.“ In der Gaskrise die Atomkraftwerke weiterhin abschalten zu wollen, sei zutiefst ideologisch und unbedacht. Die Franzosen hätten gerade unter Präsident Emmanuel Macron beschlossen, neun neue Atomkraftwerke zu errichten, und neue Typen würden erforscht. Frankreich werde Deutschland dann in noch größerem Umfang als bislang als Lieferant von Atomstrom zur Verfügung stehen, und es werde uns auch gerne teuren Wasserstoff liefern, der daraus hergestellt werden soll und von der EU-Kommission als „grün“ klassifiziert wird.