Steuerdeals

Kampf gegen Windmühlen

Das kann doch wohl nicht sein – und das darf nicht sein: Viele Steuerdeals, die in EU-Staaten zwischen Finanzbehörden und Unternehmen verabredet worden sind, verstoßen gegen jegliches Rechtsverständnis. Etwa, wenn Firmen riesige...

Kampf gegen Windmühlen

Das kann doch wohl nicht sein – und das darf nicht sein: Viele Steuerdeals, die in EU-Staaten zwischen Finanzbehörden und Unternehmen verabredet worden sind, verstoßen gegen jegliches Rechtsverständnis. Etwa, wenn Firmen riesige Forschungsaufwendungen an Standorten geltend machen, an denen die größte Forschungseinrichtung die Stadtbibliothek ist. Oder wenn Finanzämter die Blanko-Erlaubnis ausstellen, dass nur ganz bestimmte Erträge besteuert werden müssen – und alle anderen nicht. Oder wenn der effektive Steuersatz eines internationalen Konzerns an seinem Europasitz unterm Strich nur 0,005% beträgt. Das kann nicht, das darf nicht sein.

Aber so offensichtlich bei vielen dieser berüchtigten „Steuervorbescheide“ das Motiv der aggressiven Steuervermeidung auch sein mag, so schwierig ist der gerichtsfeste Nachweis. Denn erstens verlangen die Gerichte oft Belege, die sich kaum erbringen lassen – wie etwa lässt sich sicher feststellen, dass ein Unternehmen an bestimmten Standorten gerade keine Patente entwickelt hat? Zweitens sind einige der Rechtskonstruktionen so kompliziert, dass sich einzelne Konzerneinheiten damit herausreden können, die Steuerschuld werde ja an anderer Stelle getilgt. Und drittens stehen den Wettbewerbshütern paradoxerweise nicht nur die Unternehmen gegenüber, die Steuern nachzahlen sollen, sondern auch die Länder, die diese Nachzahlungen erhalten würden – und die nach Kräften die umstrittenen Steuerdeals verteidigen, weil sie hoffen, durch diese großzügige Behandlung die Europazentralen der Konzerne im Land halten zu können.

Der laufende Rechtsstreit um die 13 Mrd. Euro, die der iPhone-Konzern Apple in die irische Staatskasse nachzahlen soll, veranschaulicht, dass die EU-Wettbewerbshüter einen Kampf gegen Windmühlen führen. Der Streit ist in ein Stadium eingetreten, in dem es nur noch um Verfahrensfehler und Begründungsmängel geht. Egal ob es der EU-Kommission gelingt, das erstinstanzliche Urteil zu drehen oder nicht – begreifen werden das nur noch versierte Kartellrechtler. Wenn überhaupt.

Eines ist selbst für juristische Laien augenscheinlich. Aggressiver Steuervermeidung kann die EU kaum mit dem Wettbewerbsrecht beikommen. Sondern nur mit Vorgaben des Steuerrechts. Dafür braucht es endlich den energischen politischen Willen derer, die bislang nur halbherzig gegen die zweifelhaften Steuerdeals vorgegangen sind – aus falscher Rücksicht gegen beteiligte heimische Unternehmen oder befreundete Nachbarstaaten.

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