Credit Suisse

Kein Labor für Banken­pleiten

Finanzaufseher in der Schweiz und rund um die Welt blicken gebannt auf die Credit Suisse. Nicht alle wollen in diesem Fall das Too-big-to-fail-Regime getestet sehen.

Kein Labor für Banken­pleiten

Das Schicksal der Credit Suisse hält Finanzaufseher rund um die Welt in Atem. Nach dem spektakulären Kursverfall am Mittwoch, in dem die Aktien der schlingernden Großbank über 24% an Wert einbüßten, herrscht helle Aufregung. Die „Financial Times“ berichtete am Mittwochabend ohne Quellenangabe, Credit Suisse habe die Schweizerische Nationalbank gebeten, dem Institut öffentlich Unterstützung zuzusichern. Die Bank habe das Anliegen auch an die Finanzmarktaufsicht herangetragen.

Beide Behörden haben die Vorgänge bei der Credit Suisse bislang schweigend verfolgt. Dafür gibt es eigentlich nur eine plausible Erklärung: Es bestand bisher keine Notwendigkeit für eine Intervention. Tatsächlich betonte CEO Ulrich Körner erst am Dienstag auf einer von J.P. Morgan organisierten Analystenkonferenz zum wiederholten Mal, dass die Bank finanziell immer noch auf solidem Grund stehe.

Die Liquiditätsdeckungsquote habe sich trotz anhaltender Kundengeldabflüsse seit Jahresbeginn von 144% auf über 150% verbessert. In der Bilanz lauerten keine großen unrealisierten Verluste aus eigenen Anleihenbeständen, wie dies laut Moody’s bei den US-Banken mit einem negativen Gesamtwert von 600 Mrd. Dollar der Fall zu sein scheint. Ein materielles Kreditexposure gegenüber der Silicon Valley Bank bestehe nicht, und die Bank sei ihren Zielen voraus, die Kosten um einen Milliardenbetrag zu drücken.

Gut möglich, dass Körner nicht alles sagte. Und ja, die Credit Suisse steckt in einem tiefgreifenden Restrukturierungsprozess, der nach dem 7,3-Mrd.-Franken-Verlust des vergangenen Jahres auch im laufenden Jahr keine Rückkehr in die schwarzen Zahlen zulassen wird. Aber wo konkret sind die schwarzen Löcher, welche die Differenz des per Jahresende ausgewiesenen Eigenkapitals der Bank von 45 Mrd. sfr zum aktuellen Marktwert von nur mehr 7 Mrd. sfr schlüssig erklären könnten? Wenn es diese Löcher tatsächlich gibt, müsste die Bank längst unter Insolvenzverwaltung oder unter staatlicher Obhut stehen. Aber offenbar gibt es die Löcher in dieser Größenordnung gar nicht.

Es ist vor diesem Hintergrund nur verständlich, wenn sich die Credit-Suisse-Manager von amtlicher Stelle eine Bescheinigung der finanziellen Stabilität wünschen. Denn den Vertretern der Bank nimmt man solche Beteuerungen nicht mehr ab, wie Körner und sein Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann diese Woche schon erfahren haben.

Ebenso verständlich aber ist es, dass sich die Schweizer Behörden eine solche scheinbar harmlose Intervention strikt verkniffen haben. Offensichtlich wollten die Schweizer den Finanzmärkten, aber auch den Kunden der Credit Suisse demonstrieren, dass sie bereit dafür sind, das nach der staatlichen UBS-Rettung im Jahr 2008 geschaffene Too-big-to-fail-Regime im Ernstfall zu testen.

Ebenso offensichtlich ist aber auch, dass andere Länder mit großen Finanzplätzen diesen Test verhindern wollen. Die Angst vor einer Ansteckungswelle und einer weiteren Finanzkrise scheint dort eben größer zu sein als die Sorge um einen erneuten ordnungspolitischen Sündenfall. Offenbar schreiben inzwischen ausländische Behörden am Drehbuch der Credit-Suisse-Krise mit.