Finanzpolitik

London fleddert eigenes Steuerpaket

Nach einem Monat im Amt macht die britische Regierung nun einen Teil-Rückzieher: Die milliardenschweren Steuersenkungen für besonders Wohlhabende sollen nun doch nicht kommen. Die Marktreaktionen hatten sie dazu gezwungen. Was nun?

London fleddert eigenes Steuerpaket

Der neue britische Finanzminister Kwasi Kwarteng kippt nach heftigem Widerstand auch in den eigenen Reihen die umstrittene Abschaffung des höchsten Einkommenssteuersatzes von 45%. Das Vorhaben lenke von den eigentlichen Plänen zur Bewältigung der derzeit anstehenden Herausforderungen ab, teilte Kwarteng mit. Deshalb werde der Spitzensteuersatz nicht abgeschafft. „Wir haben verstanden und wir haben zugehört.“

Kwarteng hatte vor kurzem ein umfangreiches Paket mit Hilfen zur Abfederung der hohen Energiepreise sowie Steuersenkungen vorgestellt mit dem Ziel, das Wachstum der britischen Wirtschaft nach oben zu treiben. Offen blieb jedoch die Finanzierung des Pakets, was an den Finanzmärkten für Turbulenzen sorgte. Mitglieder der Regierung versuchten, Investoren zu beruhigen.

Erst am Sonntag bekräftigte Premierministerin Liz Truss, die seit knapp vier Wochen im Amt ist, die Pläne. Das Paket habe schnell angekündigt werden müssen, weil man habe handeln müssen. Allerdings hätte sie mehr tun können, um den Boden für das Vorhaben zu bereiten, räumte Truss ein.

Unmut in der Partei

Insbesondere die geplante Abschaffung des Spitzensteuersatzes von 45% hatte in der eigenen Partei für Unmut gesorgt: Die Konservativen könnten als die Partei angesehen werden, die Steuern für die Reichsten senkt, während sie wenig für die Schwächsten tut. Dann später die Kehrtwende: Truss machte unter dem Druck dann einen Teilrückzieher und ließ ihren Schatzkanzler das kommunizieren. Kwarteng will einem Medienbericht zufolge die Bekanntgabe seines mittelfristigen Fiskalplans nun vorverlegen. Eine Veröffentlichung sei bereits für Ende Oktober geplant, schreibt die „Financial Times“. Kwarteng wolle einen Fünfjahresplan zur Schuldenreduzierung präsentieren, der auch eine starke Begrenzung der öffentlichen Ausgaben vorsehe. Ursprünglich wollte der Minister sein Vorhaben Ende November darlegen.

Kehrtwende gezwungenermaßen

Der Teilrückzug ist indes nur den besonderen Umständen geschuldet. Die Marktreaktionen waren unmittelbar und hatten ihr gleich die Folgen ihres Handelns vor Augen geführt. Und ihre (potenziellen) Wähler haben die Folgewirkungen ihres Tuns ebenfalls gleich vor Augen bekommen. Ob die Märkte mit dem Schritt schon zufrieden sind, muss sich erst noch zeigen. Von den Wählern jedenfalls wurde die Regierung massiv abgestraft. Nach einer Umfrage des Instituts YouGov gaben 54% an, sie würden für die oppositionelle Labourpartei stimmen, falls morgen das Unterhaus neu gewählt würde. Die Tories kommen dagegen nur auf 21%. Laut YouGov ist dies ein historisches Ergebnis. So viel Zustimmung habe Labour noch in keiner Umfrage des Instituts erhalten. Und 33 Prozentpunkte Vorsprung hatte demnach keine britische Partei in den vergangenen 20 Jahren.

Thatcher als Vorbild

Bei vielen anderen politischen Themen, die Frau Truss ähnlich „konservativ“ im Stil der früheren Premierministerin Thatcher angeht, sind die Folgen und Wechselwirkungen mit der Realität indes nicht gleich sichtbar wie am Finanzmarkt: bei der Umweltpolitik, Sozialpolitik und Regulierungspolitik etwa. Die Folgen von Regierungsentscheidungen auf diesen Feldern bekommen oft erst Regierungen danach zu spüren. Das ist auch der Grund, weshalb bisweilen populistisch-kurzfristig orientierte Ansätze so erfolgreich sind: ihre Folgen werden vom Nebel der Zeit verborgen. Zumal die Verkündung einfacher Rezepte und an Weltbilder orientierter Entscheidungen sich gut in den Sozialen Medien verbreiten lässt; komplexe Abwägungen, Kompromisse und Rücksichtnahmen sind da schon viel schwieriger kommunikativ zu verteidigen.