Braunkohleausstieg

Aktivistischer Investor attackiert RWE

Der aktivistische Investor Enkraft Capital fordert von RWE die Abtrennung der Braunkohleaktivitäten, um stille Reserven aus CO2-Emissionsrechten zu heben. Hinter der Attacke steckt mehr Wucht, als im ersten Moment sichtbar wird.

Aktivistischer Investor attackiert RWE

cru Frankfurt

Ein kleiner aktivistischer Investor aus München fordert, dass RWE den Übergang zu sauberer Energie forciert. Enkraft Capital schätzt, dass der deutsche Energieriese seinen Wert verdoppeln könnte, wenn er die Schließung und Abtrennung seiner Braunkohleaktivitäten beschleunigt. Damit könnten stille Reserven aus CO2-Emissionsrechten von bis zu 13 Mrd. Euro gehoben werden, heißt es in einem Brief von Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier an RWE-Chef Markus Krebber, der der Börsen-Zeitung vorliegt.

Treffen geplant

Es lägen „unserer Einschätzung nach in der Bilanz der RWE enorme Werthebungspotenziale resultierend aus den bereits angekauften CO2-Emissionsrechten“, schreibt Kormaier. „Basierend auf Informationen aus historischen Präsentationen und Veröffentlichungen der RWE scheint es, dass RWE einen Großteil der CO2-Emissionsrechte zu einem CO2-Preis pro Tonne im einstelligen Euro-Bereich gekauft bzw. abgesichert hat. Die große Differenz zum heutigen CO2-Emissionsrechtepreis (der bei mehr als 50 Euro je Tonne liegt) impliziert signifikante stille Reserven, was vom Vorstand in der vergangenen Investoren- und Analysten-Telefonkonferenz zum ersten Halbjahr 2021 auf Nachfrage auch bestätigt wurde und nur teilweise im erhöhten Cash-Bestand der Bilanz Ausdruck findet.“

Berechnung angezweifelt

Nach vorsichtigen Schätzungen liegen demnach die aus den CO2-Zertifikaten und Derivaten resultierenden stillen Reserven zwischen 10 Mrd. und 13 Mrd. Euro, heißt es in dem Brief. „Wir können diese Berechnung nicht nachvollziehen“, sagte eine RWE-Sprecherin der Börsen-Zeitung. „Wie jedem Investor haben wir auch Enkraft Capital ein Gespräch angeboten.“ Ein Treffen sei geplant, habe aber „leider“ noch nicht stattgefunden.

Enkraft schreibt weiter: „Die Möglichkeit, diese stillen Reserven real zu heben, entsteht, wenn die korrespondierenden GHG (Emissionen) von RWE zukünftig nicht in dem Maße emittiert werden – was ebenfalls für eine deutliche Beschleunigung der Reduzierung der Braunkohleaktivitäten spricht.“ Aus dem Konzern heißt es dazu, die Verträge mit der Bundesregierung zum Braunkohleausstieg erlaubten eine Abspaltung nur unter Zustimmung der Bundesregierung.

Enkraft Capital hält zwar nur 500000 von 80 Millionen RWE-Aktien, zählt damit aber immerhin zu den 50 größten RWE-Aktionären und hat schon etliche kleinere Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien erfolgreich beeinflusst.

Hinter der Attacke steckt auch noch aus einem anderen Grund mehr Wucht, als im ersten Moment sichtbar wird. Denn sie wird von einem hochprofessionellen Investmentbanker vorgetragen – dem ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Thomas Schweppe, der Enkraft berät. Schweppe arbeitet mit seiner Firma 7Square vom Frankfurter Westend aus und hat in der Vergangenheit den großen aktivistischen US-Hedgefonds Elliott bei der Attacke auf den Energiekonzern Uniper und den Investor Cerberus bei der Attacke auf die Commerzbank beraten.

Rückenwind bekommt der Angriff auch durch den Bundestagswahlkampf, in dem der Klimaschutz eine bedeutende Rolle spielt.

Aktienkurs steigt

Der Kurs der RWE-Aktie legte am Donnerstag gegen den Markttrend zeitweise um 1,3% auf 33,14 Euro zu. Damit hat sich der Börsenwert des Konzerns seit 2017 auf 22,4 Mrd. Euro verdoppelt.

Die Braunkohle macht laut Enkraft 25% der Erzeugungsmenge von RWE aus, die 147 Terawattstunden beträgt. Sie trägt aber nur 2% zum Umsatz von 13,9 Mrd. Euro bei. Nur 6% vom operativen Gewinn (Ebitda), der bei 3,2 Mrd. Euro liegt, kommen aus der Braunkohle. Enkraft argumentiert, dass die Verschränkung von Erneuerbaren und Braunkohle bei RWE zu einer Unterbewertung gegenüber Erneuerbaren-Wettbewerbern wie Iberdrola, Enel und EDPR geführt hat – mit dem Faktor 3. Die Wettbewerber werden mit dem 19-Fachen des Ebitda bewertet, RWE nur mit dem Sechsfachen.

„Wir sind uns bei den Forderungen auch des Zuspruchs einer zunehmenden Anzahl großer institutioneller Aktionäre gewiss und sind überzeugt, dass entsprechende strategische Schritte auf breite Unterstützung der Aktionäre stoßen werden“, behauptet Enkraft-Chef Kormaier und fügt drohend hinzu: „Sollte der jetzige Vorstand und Aufsichtsrat nicht bereit sein, die notwendigen Schritte im Interesse aller Stakeholder einzuleiten, sind allerdings grundlegendere Fragen über die richtige Zusammensetzung der Gremien zu stellen.“ Der Hintergrund: Elliott hatte bei Thyssenkrupp zur Ablösung von Heinrich Hiesinger als Vorstandschef beigetragen.

„Wir haben die Hoffnung, dass Sie, Herr Dr. Krebber, eine ambitioniertere, vorwärts gerichtete Strategie für RWE etablieren, die das signifikante Wertpotenzial des Unternehmens zu heben vermag und parallel einen enormen positiven Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten kann: durch eine Fokussierung auf das zukunftsträchtige Erneuerbare-Energien-Geschäft und unter schnellerer, gegebenenfalls auch schrittweiser Ablösung der Braunkohleaktivitäten.“ Hierbei gelte es, „den Weg freizumachen für Lösungswege unter der Ägide eines selbständigen Management-Teams und gegebenenfalls auch in neuer Eigentümerstruktur“.

Vorbild Engine No. 1

Auch wenn Enkraft ein kleiner Investor ist, der sich auf erneuerbare Energien konzentriert, hat die jüngste Kampagne des Mini-Hedgefonds Engine No. 1 gegen ExxonMobil gezeigt, wie selbst wenig bekannte Akteure erfolgreich Einfluss auf Energieriesen nehmen können.

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