Im Gespräch:Patrick Widmaier, Alix Partners

„An den richtigen Stellen nachschärfen“

Die Hersteller von Industriegütern stehen unter Druck. Ihre Profitabilität sinkt, mangelnde Liquidität und steigende Kosten fordern die Unternehmen heraus. Auch in schwieriger Lage ist es entscheidend, die Transformation voranzutreiben, rät Patrick Widmaier von der Unternehmensberatung Alix Partners.

„An den richtigen Stellen nachschärfen“

Im Gespräch: Patrick Widmaier

„An den richtigen Stellen nachschärfen“

Industrie-Experte der Unternehmensberatung Alix Partners rät zu Investitionen in Technik und Personal auch in der Krise

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Die Hersteller von Industriegütern stehen unter Druck. Ihre Profitabilität sinkt, mangelnde Liquidität und steigende Kosten fordern die Unternehmen heraus. Auch in schwieriger Lage ist es entscheidend, die Transformation voranzutreiben, meint Branchenexperte Patrick Widmaier vom Beratungshaus Alix Partners.

Die Konjunkturflaute bremst die deutsche Wirtschaft in der Breite, und es ist in vielen Industriesektoren unklar, wie nachhaltig hohe Energiekosten und veränderte Wettbewerbsfaktoren das Geschäft beeinträchtigen werden. Verschlechterte Rahmenbedingungen treffen viele Unternehmen zudem in einer Phase, in der sie großangelegte Transformationsprogramme gestartet haben, die nicht selten hohe Investitionen verlangen, für die sie sich ein risikoärmeres und voraussehbares Marktumfeld wünschen würden.

Nach Einschätzung der Unternehmensberatung Alix Partners zeichnet sich für die deutschen Hersteller von Industriegütern wie Maschinen, Anlagen oder Komponenten noch keine Erholung ab. Der Druck werde 2024 weiter steigen. „Die deutschen Industriegüterhersteller, nach wie vor das Herzstück der deutschen Wirtschaft, müssen jetzt an den richtigen Stellen nachschärfen, um den Anschluss nicht zu verlieren“, sagt Patrick Widmaier, Partner & Managing Director bei Alix Partners. 

Regionale Unterschiede

Die deutsche Wirtschaft sei 2023 noch mit einem „blauen Auge“ davongekommen. Langsam gerate sie aber an einen Punkt, wo die Auftragsbestände nachgäben und Unternehmen ihre Kapazitäten anpassen müssten. Die durchschnittliche Profitabilität des Industriegütersektors liegt nach Berechnungen von Alix Partners 2023 um rund ein Fünftel unter dem Wert des Jahres 2016.

Mit Blick auf die Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung weltweit geht Widmaier davon aus, dass die Schwäche in Europa noch einige Zeit anhalten wird. In den USA laufe es dagegen noch relativ gut, „die amerikanische Wirtschaft lässt sich kaum von den Zinserhöhungen beeinflussen“. Der Berater geht davon aus, dass die US-Wirtschaft bis zur Präsidentenwahl Anfang November stark bleiben wird. „In der Regel läuft ein Wahljahr gut durch, erst wenn die neue Administration steht, könnte es etwas schwieriger werden.“ Insbesondere wenn Donald Trump Präsident würde, müsse man damit rechnen, dass sich Amerika noch mehr auf sich selbst konzentriert und auch Einfuhren erschwert. „Doch die meisten Industriegüterkonzerne haben Tochtergesellschaften in den USA und könnten mehr oder weniger davon partizipieren. Von daher würde ich das Szenario als nicht so risikoreich bewerten“, meint Widmaier.

Lesen in der Glaskugel

Deutlich negativer schätzt Widmaier die Entwicklung in China ein. Durch die Immobilienkrise dort müssten viele Probleme bewältigt werden. Auch die Schuldenkrise dämpfe die wirtschaftliche Entwicklung. „Das wird noch eine Zeit andauern.“ China habe das Industriegütersegment in Deutschland und Europa jedoch vor der Krise sehr stark angetrieben, insofern beeinträchtigt die Situation im Reich der Mitte die europäischen Konzerne spürbar.

„Wir rechnen damit, dass 2025 der Motor wieder anspringt, es kann aber auch länger dauern, je nachdem, was bis dahin noch auf der Welt passiert“, sagt Widmaier voraus.  „Das ist derzeit etwas Glaskugellesen. Die Industrie steht vor einer Periode ohne erkennbare, nennenswerte Investitionsimpulse und hat die Aufgabe, sich in einem stagnierenden oder leicht rückläufigen Markt richtig für die Zukunft aufzustellen.“

Fachkräfte als Standortvorteil

Für die Zukunftssicherung seien verschiedene Themen anzugehen. So zwinge die geopolitische Unsicherheit dazu, dass Unternehmen ihre Lieferketten überdenken. „Sie holen Produkte wieder näher an sich heran, um ihre Lieferfähigkeit abzusichern. Das kostet Geld und führt oft zu höherer Kapitalbindung und in Zeiten höherer Zinsen zu zusätzlichen Kosten“, erklärt Widmaier. Damit stünden Kostensteuerung und Preissetzungsprozesse im Fokus. „Unternehmen müssen ihren Absatz absichern und sich überlegen, wie sie neue Märkte erschließen, wie sie ihre Technologien woanders einsetzen können und wie sie ihre Produkte billiger machen“, fasst der Berater die Agenda zusammen.

Auch hohe Energiepreise werden dauerhaft ein zentraler Kostenfaktor bleiben. Das Thema ist aus Sicht des Beraters in Unternehmen in der Vergangenheit oftmals nicht intensiv adressiert worden, weil Energie so billig verfügbar war. „Wer es jetzt verschläft, bekommt ein dauerhaftes Kostenproblem“, warnt Widmaier.

Qualifizierungsprogramme statt Personalabbau

Als besonders gravierendes Problem wird der zunehmende Fachkräftemangel hierzulande eingeschätzt. Widmaier hält es für einen entscheidenden Standortvorteil in Europa und Deutschland, dass Unternehmen „eine gut ausgebildete Mitarbeiterschaft“ haben. „Das muss man pflegen und ausbauen.“

Statt Stellen abzubauen, sollte man Mitarbeiter lieber in Qualifizierungsprogramme schicken, rät Widmaier. Dafür müssten Firmen gegebenenfalls temporär eine niedrigere Rentabilität in Kauf nehmen. „Kurzfristig belastet es den Gewinn, wirkt sich aber langfristig positiv aus.“

Ein großes Fragezeichen ist derzeit, inwieweit Produktion wegen verschlechterter Standortfaktoren in größerem Stil aus Deutschland heraus verlagert werden könnte. Aus Sicht von Widmaier war die internationale Vernetzung und Arbeitsteilung seit dem Zweiten Weltkrieg „ein großer Treiber des globalen Wohlstands“. Im Augenblick mache sich die Industrie natürlich Gedanken, wie man Märkte verlässlich bedienen könne, und gebe die Produktion aus Aspekten der Liefersicherheit nicht mehr zwangsläufig dorthin, wo sie am kostengünstigsten sei.

Global verankert

„Aber auch künftig wird es internationale Arbeitsteilung geben, man wird aber Puffer schaffen und sich absichern“, ergänzt Widmaier. Die meisten Unternehmen, die von Standortrisiken betroffen sind, seien jedoch schon internationalisiert und über ihre Verankerung in den Märkten weltweit gegen nationale Abschottungstendenzen abgesichert.

„Dass sie den Weltmarkt bedienen, macht den Erfolg dieser Unternehmen aus und stabilisiert ihr Geschäft. In Deutschland sind die Löhne hoch, aber wenn man dauerhaft an Automatisierung arbeitet und investiert, kann man die Fertigung im Land halten. Das ist sinnvoll, weil damit auch Know-how erhalten bleibt“, resümiert der Berater.