Infrastruktur

Atlantia wagt Neustart außerhalb der Börse

Der Infrastrukturkonzern Atlantia will sich nach dem Delisting neu aufstellen. Wer die Strategie in der Führungsspitze verantwortet, ist derzeit allerdings noch offen.

Atlantia wagt Neustart außerhalb der Börse

bl Mailand

Kurz vor Weihnachten verlor der Aktienmarkt in Mailand mit dem Delisting des Infrastrukturkonzerns Atlantia ein weiteres Börsenschwergewicht. Großaktionär Edizione, die Holding der Familie Benetton, hatte den Aktionären mit dem US-Investor Blackstone und der Sparkassenstiftung CrT ein Übernahmeangebot über 13 Mrd. Euro unterbreitet. Insgesamt wurde Atlantia mit 19 Mrd. Euro bewertet.

Die neuen Eigner Edizione (64 %), Blackstone (30,2 %) und CrT (5,8 %) wollen Atlantia nun auf nachhaltige Mobilitätskonzepte ausrichten. Die dafür notwendigen langfristigen Investitionen würden von Aktionären nicht sonderlich geschätzt, hieß es zur Begründung für den Schritt. Mit dem Delisting endet eine mehr als 20-jährige Börsengeschichte.

Anlass für die Neuordnung Atlantias war der Einsturz der Genueser Autobahnbrücke im August 2018, bei dem 43 Menschen zu Tode kamen. Die 88-prozentige Atlantia-Tochter Autostrade per l’Italia (Aspi), zu deren Autobahnnetz die Brücke gehört, trug daran wohl zumindest eine Mitschuld, weil die Brücke nicht richtig gewartet worden war. Auf Druck der Regierung musste Atlantia die Aspi-Beteiligung für 8 Mrd. Euro verkaufen. Mit dem Erlös sowie den Einnahmen aus dem Verkauf eines 14,5-prozentigen Anteils an Hochtief und der Abgabe der Autobahnraststättengesellschaft Autogrill an den Schweizer Duty-free-Shop-Betreiber Dufry will Atlantia Schulden abbauen und Übernahmen tätigen. Ziel ist es, sich auf die Bereiche Autobahnen, Flughäfen und Eisenbahnen zu konzentrieren.

Unter der Führung von CEO Carlo Bertazzo wurde die Neuausrichtung auf den Weg gebracht. Vorgänger Giovanni Castellucci musste die Verantwortung für den Brückeneinsturz übernehmen. Er ist im Prozess in Genua gegen eine Vielzahl von Managern, Fachleuten und Beamten ein Hauptangeklagter.

Bertazzos neuer Strategieplan sieht eine Ausrichtung auf digitale Verkehrssteuerung, Infrastrukturen und strategische Partnerschaften vor. Atlantia trennte sich von Autogrill und der Hochtief-Beteiligung, übernahm Autobahnbetreiber in Mexiko und in den USA sowie für 1 Mrd. Euro die Siemens-Verkehrstechniktochter Yunex und stieg beim Bruchsaler Flugtaxihersteller Volocopter ein. Weitere Übernahmen sollen geplant sein. Außerdem ist offenbar ein Börsengang der Mautsystemtochter Telepass vorgesehen. Atlantia betreibt über die 50-prozentige Beteiligung an Abertis ein 10000 Kilometer langes Autobahnnetz in elf Ländern sowie fünf Flughäfen, darunter Rom und Nizza, und hält eine Beteiligung von 15 % an der Kanaltunnelgesellschaft Getlink. Bertazzos Mandat ist am 31. Dezember abgelaufen, es gibt noch keinen Nachfolger. In diesem Monat soll ein von 15 auf elf Personen verkleinerter Verwaltungsrat vorgestellt werden. Edizione wird sieben Mitglieder stellen, Blackstone drei, CrT eines.