Mietwagen

Auto­vermieter im Margen­rausch

Der Margenschub bei Autovermietern wird 2022 seinen Höhepunkt erreichen. Aufgrund wachsender Risiken für die Konjunktur dürfte spätestens 2023 die Partystimmung in der Branche zu Ende gehen.

Auto­vermieter im Margen­rausch

Von Stefan Kroneck, München

In der Branche der Autovermieter herrscht derzeit Partystimmung. Trotz einer von gestörten Lieferketten, einem Inflationsschub, der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg geplagten Weltwirtschaft befinden sich neben den Autobauern auch große Autovermieter wie Europcar, Sixt, Avis und Hertz mitten in einer Sonderkonjunktur.

Denn ein vor allem aufgrund von Covid-19 nach wie vor relativ knapp gehaltenes Angebot stößt auf eine hohe Nachfrage. Das treibt die Preise für Mietwagen in bislang ungeahnte Höhen. Diese gehen sprichwörtlich durch die Decke. Das diesjährige Tourismus-Geschäft in den Sommermonaten dürfte die Umsatzrenditen der Adressen auf Rekordwerte steigen lassen. Schließlich ist das dritte Quartal saisonal bedingt ohnehin der lukrativste Dreimonatsabschnitt für die Autovermieter. Von Juli bis September verdienen die Unternehmen das meiste Geld.

Beispiel Frankreich. Ein Fahrzeug der Economy-Klasse – also der Modelle Fiat 500, Citroën C1 oder Renault Twingo – kostet an der südfranzösischen Atlantikküste für einen Tag satte 156 Euro. Das ist der günstigste Tarif in der Vorsaison mit Vollkaskoversicherung und ohne Kilometerbegrenzung, den man erhält, wenn über die ADAC-Suchplattform eine Offerte von Hertz erscheint. Im Jahr 2018, also gut zwei Jahre vor Ausbruch des Coronavirus, musste man für die gleiche Leistung rund 35 bis 38 Euro berappen. Damit hat sich der Preis binnen vier Jahren mehr als vervierfacht.

Wenn am kommenden Wochenende die großen Sommerferien in der zweitgrößten EU-Volkswirtschaft beginnen, könnte der Preisschub wegen der Hauptsaison voraussichtlich noch höher ausfallen. Zum Vergleich: Die deutschen Autohersteller begnügen sich im gleichen Zeitraum mit Preiserhöhungen, die „nur“ zweistellige Prozentsätze aufweisen.

Sowohl Autobauer als auch Autovermieter verdienen sich derzeit eine goldene Nase. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Bayern mit Sitz in Pullach bei München vor Steuern eine Umsatzrendite von 19,4% – ein firmeneigener Rekordwert. Erzrivale Europcar, der mehr auf Volumenfahrzeuge setzt, erzielte immerhin 7,1%. Das Krisenjahr 2020 ist längst überwunden. Seinerzeit sorgten die strengen Lockdowns infolge des Covid-19-Ausbruchs dafür, dass das Geschäft der Autovermieter faktisch lahmgelegt wurde.

Nichts ging mehr. Das Geschäft mit Geschäftskunden und Touristen brach weg. Die Nutzungsquoten von Mietwagen fielen von einst rund 80% auf gut 20% zurück. Die Verluste häuften sich an. Europcar stürzte in der Marge auf −29,6% ab (2020). Sixt fiel auf −5,3% zurück. Staatliche Liquiditätshilfen trugen dazu bei, das Tief zu überwinden. Operativ fuhren die großen Adressen ihre Fuhrparks deutlich zurück. Das Stationsnetz wurde auf das Allernötigste reduziert, das Personal ausgedünnt.

Mit den Lockerungen und dem Wegfall der Corona-Beschränkungen setzte zwar ein Weg zur „Normalisierung“ des Geschäfts wieder ein, doch die Anbieter kamen nicht mehr so schnell mit der erhöhten Nachfrage nach. Denn das Schließen von Vermietstationen in Krisenzeiten geht rascher vonstatten als deren Wiederhochfahren. Nun ist alles wieder gut, könnte man meinen.

Doch wie bei den Autobauern zeichnet sich auch bei den Autovermietern ein Ende der Margenparty ab. Das Gemisch aus drohender Rezession und galoppierenden Teuerungsraten ist Gift für die Konjunktur. Spätestens 2023 wird die Nachfrage deutlich abflachen, da die privaten Haushalte bei deutlich steigenden Energiekosten zu mehr Sparen gezwungen sind. Dadurch zeichnet sich ein Rückgang der Vermietwagen-Preise ab, wenn Angebot und Nachfrage wieder ins Lot kommen. Die Branche fällt dann voraussichtlich wieder in eine längere Flaute bei den Tarifen zurück, allerdings auf einem höheren Niveau wie in den Jahren 2010 bis 2019.

Kämpfe um Marktanteile

Kämpfe um Marktanteile werden künftig verstärkt wieder über die Preise ausgetragen. Lockangebote werden zunehmen. Das dämpft die Profitabilität. Die Aktienmärkte haben dieses Risiko-Szenario bereits eingepreist. Die Titel börsennotierter Gesellschaften wie Sixt konnten sich trotz einer derzeit operativ guten Lage der Baisse an den weltweiten Börsen nicht entziehen. Das Stammpapier des MDax-Mitglieds büßte beispielsweise seit Jahresbeginn fast zwei Fünftel an Wert ein.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.