Rohstoffe und Energie

Autozulieferer ringen um Weitergabe des Preisanstiegs

Die Unternehmen verhandeln neu mit ihren Kunden. Trotz Preisbindung wollen auch Stahllieferanten mehr Geld. Mehr Effizienz in der Produktion wird nun noch wichtiger.

Autozulieferer ringen um Weitergabe des Preisanstiegs

Von Joachim Herr, München

Harte Preisverhandlungen sowohl mit ihren Lieferanten als auch mit ihren Kunden gehören für die Automobilzulieferer schon immer zum Tagesgeschäft. Doch die erheblich gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Material und Energie verstärken den Druck auf alle Seiten.

„Weltweit arbeiten unsere Teams in Einkauf und Logistik an wettbewerbsfähigen Preisen“, berichtet Bosch, der größte Autozulieferer der Welt. Näheres ist von dem Stuttgarter Konzern nicht zu erfahren. „Aus Wettbewerbsgründen äußern wir uns nicht dazu“, sagt ein Sprecher. Aber auch daraus lässt sich schließen, wie intensiv gerungen wird. Gespräche mit den Kunden führt auch Schaeffler, um die hohen Kostensteigerungen „möglichst“ weiterzugeben. Einzelverhandlungen seien die Regel. „Ziel kann nur sein, Preisverhandlungen rückwirkend zum 1. Januar 2022 zu führen“, heißt es von dem fränkischen Unternehmen.

Vitesco Technologies, die von Continental abgespaltene Sparte für Antriebstechnik, hat auf die Preissteigerungen bezogen ein klares Ziel: „Wir versuchen, mindestens 80 % an unsere Kunden weiterzugeben.“ Zum Teil geht das automatisch: Für bestimmte Materialgruppen gebe es entsprechende Vertragsklauseln.

Eine vor drei Wochen veröffentlichte Schätzung des Analysehauses Stifel deutet die Preiserhöhungen allein für Rohmaterial an: Die durchschnittlichen Kosten für ein Auto lägen jetzt über 4600 Euro – 1000 Euro mehr als vor einem Jahr und 1900 Euro mehr als vor zwei Jahren.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet auch langfristig mit Knappheit und steigenden Preisen von Rohmaterialien wie Palladium und Nickel. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar haben diese kräftig zugelegt (siehe Grafik). Etwa ein Fünftel des nach Deutschland importierten Palladiums stammt aus Russland. Gebraucht wird das Metall für Katalysatoren in Verbrennungsmotoren. Nickel ist ein wichtiger Rohstoff für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. Russland als wichtiges Förderland von Nickelerz spielt somit auch für die Elektromobilität eine bedeutende Rolle.

Margen unter Druck

Hinzu kommen Belastungen aufgrund der höheren Energiekosten: Gemessen an den Terminkontrakten für Strom und Gas mindern diese nach Berechnungen von Stifel die operativen Margen der Zulieferer im Durchschnitt um 0,4 Prozentpunkte. Verglichen mit den ermittelten Auswirkungen für die Autohersteller ist das doppelt so viel.

Vitesco beziffert die Belastung aus dem Anstieg der Rohstoffpreise auf 45 Mill. Euro im vergangenen Jahr. Für dieses Jahr wird eine Verteuerung auf ähnlichem Niveau erwartet. Einschließlich der höheren Materialpreise rechnet das Regensburger Unternehmen mit einer Belastung in Höhe eines mittleren dreistelligen Euro-Millionenbetrages. Mögliche Folgen des Kriegs in der Ukraine sind in dieser Prognose nicht berücksichtigt.

Da diese Auswirkungen nicht abzuschätzen seien, hat Schaeffler Anfang März die Geschäftsprognose für dieses Jahr zurückgezogen. Dass der Anstieg der Material- und Energiepreise 2021 das Ergebnis der Gruppe nur „in geringerem Ausmaß“ belastet habe, begründet das Unternehmen unter anderem mit langfristigen Verträgen mit Stahllieferanten: „Grundsätzlich werden – falls möglich und wirtschaftlich sinnvoll – langfristige Verträge mit Laufzeiten von einem Jahr abgeschlossen.“

Doch angesichts der drastischen Steigerungen ist nun manches anders. Stahllieferanten setzen nach Aussagen von Schaeffler trotz einer Jahrespreisbindung Nachverhandlungen aufgrund der höheren Energiepreise durch. „Ein signifikanter Einfluss für das Gesamtjahr ist nicht auszuschließen.“

Was Strom und Gas betrifft, ist Schaeffler für dieses Jahr „größtenteils abgesichert“. Angesichts der vervielfachten Preise könnte jedoch der enorme Anstieg für die „geringen ungesicherten Mengen einen spürbaren Einfluss haben“. Von Bosch ist zu erfahren, „dass teils über Hedging und langfristige Verträge Vorsorge getroffen“ werde. Einzelheiten gibt das Unternehmen auch dazu aus Wettbewerbsgründen nicht bekannt.

Eine andere Reaktion auf den fulminanten Anstieg der Preise ist der effizientere Einsatz von Material und Energie. Die Zulieferer arbeiten an diesem Ziel freilich seit langem, um die Kosten im Griff zu behalten und Klimaneutralität zu erreichen. „Nichtsdestotrotz hilft uns in der aktuellen Situation natürlich jede Maßnahme“, betont Schaeffler. Das 2020 gestartete Energieeffizienzprogramm enthält 200 Punkte.

Noch mehr Recycling

Vitesco verweist auf eine Recyclingquote von 92%. Das bedeutet, dass der allergrößte Teil der Abfälle in der Entwicklung und Produktion wie Metallspäne und Kunststoff- und Gummireste wiederaufbereitet wird, wie ein Sprecher erläutert. „Ziel sind 100 Prozent.“ Dafür werde mit Kunden und Lieferanten zum Beispiel über Werkstoffe diskutiert, die sich leichter wiederverwerten ließen.

Strom produzieren die Zulieferer wie die Autohersteller zum Teil selbst, etwa mit Fotovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Produktionshallen. Doch die Abhängigkeit von Öl und vor allem Gas lässt sich damit nur leicht verringern. Bosch prüft deshalb schon jetzt, „welche Vorsorge wir in Europa für den nächsten Winter treffen müssen“.