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Delivery Hero verdirbt den Appetit

Der Lieferdienst Delivery Hero bleibt mit seinem Ausblick hinter den Markterwartungen zurück. Zudem ist der operative Verlust 2021 höher ausgefallen als gedacht. Der Aktienkurs bricht deutlich ein.

Delivery Hero verdirbt den Appetit

hek Frankfurt

Eine Verkaufswelle am Aktienmarkt hat der Lieferdienst Delivery Hero mit seiner Prognose für 2022 und dem Trading Update für das vierte Quartal 2021 ausgelöst. Die im Dax vertretene Aktie brach am Donnerstag im Handelsverlauf um bis zu 33% ein. Zum Handelsschluss stand ein Minus von 30% auf 46,49 Euro zu Buche. Damit setzte das Wertpapier die im November 2021 begonnene Talfahrt fort.

Delivery Hero stellt für das laufende Jahr eine Ausweitung des über die Plattform verkauften Bruttowarenwerts (GMV) auf 44 Mrd. bis 45 Mrd. Euro in Aussicht. Das entspricht einer Zunahme um ein Viertel im Vergleich zu 2021. Die Zielmarke für 2022 liege um 6% unter den Markterwartungen, konstatiert die Investmentbank Jefferies.

Die Prognosespanne für das um Sondereinflüsse bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verfehle die Konsensschätzung sogar noch kräftiger. Die Investmentbank Bryan Garnier konstatiert, dass die avisierten Verluste fast doppelt so hoch seien wie bisher erwartet.

Delivery Hero bekräftigt zwar die Ankündigung, im Plattformgeschäft, also im Kernsegment Essenslieferungen, operativ in schwarze Zahlen vorzustoßen. War bisher die Rede davon, in der zweiten Jahreshälfte in die Gewinnzone zu kommen, sehen sich die Berliner nun auf bestem Weg, für das Geschäftsjahr ein positives adjustiertes Ebitda im Plattformgeschäft zu erwirtschaften. Doch auf Gesamtebene sollen noch operative Verluste von 1,0 bis 1,2% des GMV anfallen, was in absoluten Zahlen auf 440 Mill. bis 540 Mill. Euro hinausläuft. Der Betrag ist weitestgehend dem Segment Integrated Verticals zuzuschreiben, das vor allem die schnelle Auslieferung von Supermarktartikeln und anderen Produkten wie Medikamenten (Quick Commerce) umfasst. Für diesen Bereich avisiert das Management zwischen 525 Mill. und 550 Mill. Euro bereinigten Ebitda-Verlust.

Neue Lagerhäuser

Die Segmentumsätze veranschlagen die Berliner auf 9,5 Mrd. bis 10,5 Mrd. Euro. Bezogen auf die Mitte der Spanne ergibt sich ein Wachstum zum Vorjahr von gut 50%. „Mit stetigen Wachstumsraten und einem steigenden Deckungsbeitrag des Own-Delivery-Geschäfts ist klar, dass unser Geschäftsmodell funktioniert“, versichert Finanzvorstand Emmanuel Thomassin. Langfristig peilt Delivery Hero zwischen 5 und 8% Ebitda-Marge an. Der GMV soll bis 2030 auf 200 Mrd. bis 350 Mrd. Euro klettern.

Gemessen am November-Hoch von 128,50 Euro ist die Delivery-Hero-Aktie inzwischen um 64% abgesackt. Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens sei vor Herausforderungen gestellt, meint die Investmentbank Barclays. Delivery Hero agiere in einem Umfeld, in dem der Kapitalmarkt stark wachsende, aber verlustreiche Anlagen nicht mehr liebe. Nun komme es darauf an, dass das Unternehmen im Verlauf des zweiten Halbjahres die Profitabilität hochfahre.

Neben der enttäuschenden Guidance verdirbt auch der über den Erwartungen liegende Verlust im abgelaufenen Geschäftsjahr Investoren den Appetit. Das bereinigte Ebitda liegt bei minus 781 Mill. Euro, was 2,2% des GMV entspricht. Angekündigt hatte Delivery Hero Verluste von rund 2% des GMV. Zur Begründung verweist CFO Thomassin auf den Ausbau der eigenen Auslieferungen und eine Marketingkampagne im wichtigen Markt Südkorea, Investitionen in das Türkei-Geschäft und die beschleunigte Erweiterung des eigenen Lagernetzes für die Auslieferung von Fertigwaren. Übertroffen wurde 2021 dagegen die Prognose für den Bruttowarenwert. Er erreichte 35,4 Mrd. Euro. Angestrebt war das obere Ende der Spanne von 33 Mrd. bis 35 Mrd. Euro. Weitere Ergebniszahlen und die Bilanz veröffentlicht Delivery Hero Ende April.

Das Wachstum habe Priorität, macht Thomassin in einer Telefonkonferenz klar. Im vierten Quartal kamen 213 Lagerhäuser hinzu, so dass es Ende 2021 weltweit mehr als 1000 waren. Im Quick Commerce herrscht ein rauer Wettbewerb – Delivery Hero muss sich gegen gut finanzierte Start-ups wie Getir, Flink und Gorillas zur Wehr setzen.

Glovo tiefrot

An dem in Spanien ansässigen Lieferdienst Glovo hält Delivery Hero auf unverwässerter Basis inzwischen 95% der Anteile. Die Übernahme soll im zweiten Quartal abgeschlossen werden. Bei der 2022er Prognose bleibt die neue Tochter noch außen vor. Laut CEO und Mitgründer Niklas Östberg plant das Glovo-Management für das laufende Jahr mit 330 Mill. Euro Verlust auf bereinigter Ebitda-Basis. Der GMV soll zwischen 4,0 Mrd. und 4,3 Mrd. Euro erreichen.

Im vierten Quartal 2021 legte der Bruttowarenwert im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 39% auf 9,6 Mrd. Euro zu, während die Segmentumsätze um zwei Drittel auf 1,9 Mrd. Euro kletterten. Laut der kanadischen Bank RBC hat Delivery Hero im Schlussviertel die Konsensschätzungen verfehlt, aber in einem in­tensiven Wettbewerbsumfeld den Marktanteil gesteigert und ehrgeizige Langfristziele für das Brutto­warenvolumen ausgegeben.

Delivery Hero
Konzernzahlen
4. Quartal
in Mill. Euro20212020
Bestellungen (Mill.)776610
Bruttowarenwert96406946
 Asien65294662
 MENA18381350
 Europa714570
 Amerika560364
 Integrated Verticals *347149
Segmentumsätze19191153
*) Auslieferung von FertigwarenBörsen-Zeitung
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