Der Einstieg in den Kohleausstieg beginnt

Am 4. Januar startet die zweite Auktion - Verschärfte Klimaziele der EU sorgen für Beschleunigung

Der Einstieg in den Kohleausstieg beginnt

Von Annette Becker, DüsseldorfMit dem Aus für den kommerziellen Betrieb für eine Reihe von Steinkohlekraftwerken fällt am 1. Januar in Deutschland der Startschuss für den Einstieg in den Kohleausstieg. Zwar wird es anschließend noch bis 1. Juli dauern, bevor die Kraftwerke, die in der ersten Auktion der Bundesnetzagentur einen Zuschlag erhielten, tatsächlich stillgelegt werden. Doch schon am 4. Januar beginnt die nächste Auktion, der bis Mitte 2024 sechs weitere folgen sollen. Dass zwischen dem Vermarktungsstopp und der Stilllegung ein halbes Jahr vergehen wird, hängt damit zusammen, dass die deutschen Übertragungsnetzbetreiber noch entscheiden müssen, ob die bezuschlagten Anlagen für die Aufrechterhaltung des Stromnetzes systemrelevant sind und entsprechend in die Netzreserve gehen müssen.Über mangelndes Angebot der Kraftwerksbetreiber zur bezuschussten Stilllegung konnte sich die Bundesnetzagentur bei ihrer ersten Ausschreibung nicht beklagen. Die ausgeschriebene Menge von 4 000 Megawatt (MW), die es stillzulegen galt, war deutlich überzeichnet. Letztlich erteilte die Netzagentur Anfang Dezember den Zuschlag für 4 788 MW und nahm damit elf Gebote an. Das größte berücksichtigte Gebot kam mit 875 MW von Uniper, die zum Jahreswechsel im Steinkohlekraftwerk Heyden 4 die kommerzielle Stromproduktion einstellt. Das kleinste Gebot entfiel mit 3,6 MW auf Südzucker, die das Kraftwerk der Zuckerfabrik Brottewitz vom Markt nimmt. Höchstpreise sinkenIn den Auktionen geben die Kraftwerksbetreiber Gebote ab, wie viel Geld sie für die Stilllegung und damit die Einsparung von CO2 verlangen. Den Zuschlag erhält, wer den geringsten Zuschuss fordert. In der ersten Auktion hatte die Netzagentur den Höchstpreis pro MW auf 165 000 Euro festgelegt. Ein Betrag, den jedoch keiner der Bietenden aufrief. In den nachfolgenden Auktionen wird der Höchstpreis nach und nach sinken. So ist der Höchstpreis für die Auktion im Januar auf 155 000 Euro festgelegt, die ausgeschriebene Menge beläuft sich den Angaben zufolge auf 1 500 MW.Die Mengen für die nachfolgenden Auktionen stehen noch nicht fest, wohl aber die Höchstpreise. In der letzten Auktion am 3. Juni 2024 – das Kohleverfeuerungsverbot wird 2027 wirksam – liegt der Höchstpreis bei nur noch 89 000 Euro.Die Aussicht auf sinkende Zuschüsse dürfte wohl auch ein Grund für die rege Beteiligung der Kraftwerksbetreiber an der ersten Auktion gewesen sein. Den besten Schnitt machte RWE, die den Zuschlag für zwei Kraftwerksblöcke in Hamm und Ibbenbüren mit einer addierten Nettoleistung von 1 560 MW erhielt und dafür nach eigenen Angaben in Summe 216 Mill. Euro kassiert. Mit den beiden Anlagen legt RWE in Deutschland die letzten beiden Steinkohlekraftwerke still. 317 Mill. EuroDie Gesamtsumme der Zuschläge in der ersten Auktion beziffert die Netzagentur auf 317 Mill. Euro. Mithin errechnet sich ein mengengewichteter durchschnittlicher Zuschlag von 66 259 Euro je MW. Die Gebote reichten nach den Angaben von 6 047 bis 150 000 Euro pro MW. Jeder erfolgreiche Bieter erhält allerdings nur seinen individuellen Gebotswert.Im Sommer dieses Jahres hatte der Bundestag das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz verabschiedet, mit dem Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen will. Der schrittweise Ausstieg sieht vor, dass von der insgesamt installierten Leistung von 40 000 MW bis 2022 nur noch 30 000 MW übrig sind. Bis zum Jahr 2030 sollen es nur noch 17 000 MW sein. Inzwischen mehren sich allerdings die Stimmen derer, die davon ausgehen, dass der Kohleausstieg schneller vonstattengeht als gesetzlich vorgesehen – nicht zuletzt, weil die EU ihr Klimaziel bis 2030 kürzlich deutlich verschärfte.Statt der Senkung des CO2-Ausstoßes um mindestens 40 % gegenüber dem Jahr 1990 ist nun die Reduzierung um 55 % vorgesehen. “Die 55 % hören sich vielleicht harmlos an, es ist aber eine gigantische Ansage, egal wie wir das drehen und wenden”, sagt beispielsweise Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. CO2 verteuert sich Das wird den Preis für eine Tonne CO2 verteuern und damit die Kosten der Kohleverstromung spürbar erhöhen. Experten führender Energieinstitute gehen bis 2030 von einer Verdoppelung des CO2-Preises auf 50 Euro je Tonne aus. “Der Preis im Europäischen Emissionshandelssystem steigt, und wir werden viel schneller aus der Kohle aussteigen, als die Kohlekommission gedacht hat”, sagt Edenhofer.Vom steigenden CO2-Preis wird die Braunkohle am stärksten betroffen sein. Das wird gravierende Folgen für den Strommix in Deutschland haben. Laut einer Studie im Auftrag von Agora Energiewende wird der Anteil der Braunkohle durch die Verteuerung des CO2-Preises bis 2030 von heute 17 % auf 0,5 % sinken. Zugleich dürfte sich der Anteil der Steinkohle von heute 7 % auf dann 1,8 % verringern.