Indexregeln

Die Quote im Dax 40 ist eine Bürde für den Standort

Die nach dem unerquicklichen Wirecard-Abgang von der Deutschen Börse und ihrem Indexbetreiber Contigo für die Zusammensetzung des Dax 40 verfolgte Linie sollte angesichts des nachhaltig wirkenden 150-Mrd.-Eu­ro-Abgangs der Linde-Aktie kritisch überprüft werden.

Die Quote im Dax 40 ist eine Bürde für den Standort

Die nach dem unerquicklichen Wirecard-Abgang von der Deutschen Börse und ihrem Indexbetreiber Contigo für die Zusammensetzung des Dax 40 verfolgte Linie sollte angesichts des nachhaltig wirkenden 150-Mrd.-Eu­ro-Abgangs der Linde-Aktie kritisch überprüft werden. Neben den dadurch ausgelösten komplexen und kostenträchtigen Indexumschichtungen ist mit der immer noch bundesbeteiligten Commerzbank zwar ein neuer Wert gefunden worden – aber eben einer mit einem um 90 % geringeren Marktgewicht. Der Weggang von Linde hat auch international erhebliche Aufmerksamkeit gefunden: „Außenseiter Deutschland“ (vgl. BZ vom 10.11.2022).

Wenig erfolgreich

Da der Deutsche-Börse-CEO Theodor Weimer verkündete, diesen „Schlag ins Gesicht des deutschen Kapitalmarkts“ mit Löwenmut zu bekämpfen, sollten die Ursachen des so herben Indexverlusts kritisch bedacht werden. Denn die seit 2021 vom Indexbetreiber für die Indexaufnahme verabschiedeten Änderungen erwiesen sich als wenig erfolgreich.

Mit Delivery Hero als Wirecard- Nachfolger wurde in der obersten deutschen Börsenliga eine Adresse aufgenommen, die nicht mal auf absehbare Zeit ernsthafte Profitabilität versprechen konnte – abgesehen von kritischen Einwertungen des Aufsichtsrats. Da es im kritischen Börsenjahr 2022 rasch zu einer Kursviertelung kam, blieb dies ein kurzes Gastspiel.

Die danach erfolgte Ausweitung des obersten Dax-Segments auf 40 Werte hat ebenfalls nicht vermocht, die im Index vom Betreiber Contigo angelegte Problematik der international unüblichen Quotenbegrenzug von nur 10 % pro Einzelwert zu beseitigen. Die Performance der neu aufgenommenen Aktien war schlicht zu mager, um der von der Linde-Verwaltung als Hauptgrund für das Delisting genannten Kappungsgrenze ein ausreichendes Gewicht entgegenzusetzen.

Eine 10-prozentige Kappungsgrenze ist in den relevanten internationalen Märkten keineswegs Normalität: Der französische Index CAC 40 erlaubt eine maximale Einzelgewichtung von 15 %,der Schweizer SMI von 20 %, und in Großbritannien sowie den USA gibt es gar keine Kappungsgrenze.

Diese Regelvorgabe wird vom Indexbetreiber gern mit Risikodiversifikationsüberlegungen begründet. Nicht nur angesichts des internationalen Vergleichs ist jedoch zu fragen, inwieweit Indexbetreiber für die gerade im Indexgeschäft tätigen professionellen Investoren für solche Indexvorgaben zuständig sein sollen.

Tatsächlich war es nämlich im Dax in den letzten Jahren das größte Einzelrisiko, nicht in Linde-Aktien investiert zu sein. So gab der Weltmarktführer für die so umweltrelevanten Industriegase mit deutschen Wurzeln und dort immer noch bilanziell geführten rund 200 Konzerntöchtern vorrangig die durch den Index bedingten Marktverkäufe als Grund für seine Abschiedspläne an.

Paradoxes Ergebnis

Obwohl die von der 10-%-Grenze heute als nächste betroffene SAP kürzlich ihren Verbleib im Dax 40 verkündete, dürfte dies bei einer Verringerung des Großaktionärsanteils und den in den USA höheren Bewertungen und damit günstigeren Finanzierungskosten keine Garantie für ewigen Dax-Verbleib sein.

Nicht nur deswegen gilt es also, eine weniger quotenbestimmte Festlegung der Indexzusammensetzung ernsthaft zu verfolgen. Dafür sprechen auch die im letzten Jahr gemachten Erfahrungen mit der Befragung von nur bedingt relevanten Marktteilnehmern.

Hier ergab sich das paradoxe Ergebnis, dass die größten deutschen Investoren einhellig gegen den Linde-Rückzug votierten, obwohl eine vorherige Befragung durch die Deutsche Börse mehrheitlich für eine Beibehaltung der Indexquote gestimmt hatte.

Schließlich ist bei der Analyse der möglichen Ursachen für den Linde-Abschied auch aufgefallen, dass die der Deutsche Börse gehörende, international führende Stimmrechtsberatungsfirma ISS eine den Rückzug begleitende Empfehlung abgegeben hat, was sicher auch zu dem die satzungsgemäß erforderliche Quote von 75 % übertreffenden Ergebnis beigetragen haben dürfte. Ob angesichts des nicht auszuschließenden Interessengegensatzes zu dem Indexbetreiber Contigo ein solches Votum überhaupt angezeigt war, ist zumindest offen.

Angesichts des zitierten „Löwenmuts“ zur Vermeidung weiterer Schläge für den deutschen Kapitalmarkt neigt der kritische Beobachter dazu, „der Deutschen Börse zu empfehlen, die Kriterien für ihr so sub­stanzielles Indexgeschäft schon im Eigeninteresse mit mehr Mut zu verfolgen“.

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