Sonja Wärntges

„Ein konsistentes Gesamt­konzept fehlt“

Der Gewerbeimmobilienkonzern DIC Asset macht sich für einen einheitlichen Rahmen mit Richtwerten und Standards stark, die Nachhaltigkeit systematisch definieren und vergleichbar machen.

„Ein konsistentes Gesamt­konzept fehlt“

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt für die Immobilienwirtschaft immer mehr Bedeutung, doch allgemeine Standards und Transparenz fehlen. „Viele Unternehmen schreiben sich ESG auf die Fahnen, ohne dass es schon eine klare Vorstellung davon geben kann, was das genau heißt“, sagt Sonja Wärntges, Vorstandsvorsitzende der Gewerbeimmobilienfirma DIC Asset. „Es gibt einen großen Bedarf nach einer Konkretisierung der Rahmenbedingungen und einer fachübergreifenden Diskussion über Inhalte und Machbarkeit.“

Die Anforderungen an Gebäude würden gerade durch den Anspruch auf Nachhaltigkeit in kurzer Zeit stark steigen. Darauf müssten sich Bauherrn und Investoren genauso wie Mieter und Vermieter einstellen. Doch das Angebot an nachhaltigen Immobilien sei gering. Entsprechend müsse unter anderem mit einer Verteuerung der vorhandenen Flächen gerechnet werden. Die Herausforderung der nächsten zwei bis fünf Jahre sei, klare Standards zu schaffen. Diese sollten beispielsweise für Energie, Abfall und Wasser bis hin zu E-Ladestellen sinnvolle und realistische Vorgaben machen.

Wärntges erinnert daran, dass Deutschland sich zur Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet hat: „Das ist für die Immobilienwirtschaft quasi morgen. Ein Gebäude, das wir heute planen und errichten, steht dann noch, und zwar eine ganze Weile“, sagt die Managerin im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Ähnlich gelte das auch für einen Großteil des heutigen Gebäudebestands. Daher sei es „hochgradig sinnvoll“, einen Rahmen und Standards vorzugeben, wie Deutschland im Gebäudesektor bis dahin messbar klimaneutral werden könne. Das sei – unter angemessener Nutzung der Fachkompetenz der Gebäudewirtschaft – Aufgabe des Gesetzgebers. Die aktuelle Gesetzgebung biete dafür nicht genug Klarheit und Orientierung. Die vorhandenen Förderprogramme der Staatsbank KfW seien zwar hilfreich, aber lediglich gut für Einzelmaßnahmen: „Was fehlt, ist ein konsistentes Gesamtkonzept“, sagt Wärntges.

Große Unsicherheit

Die Immobilienbranche habe bereits viel in Sachen Nachhaltigkeit getan. „In den vergangenen drei Jahren hat DIC Asset allein im eigenen Bestand 23% CO2 eingespart“, sagt Wärntges. „Das ist eine beachtliche Zahl.“ Aber nicht nur die Eigentümer, auch die Mieter müssten ESG (Environment, Social, Governance) leben. „Wir bieten zum Beispiel umweltfreundliche Abfallkonzepte an. Wenn der Mieter das nicht will, können wir ihn nicht zwingen, es anzunehmen. Auch sind wir vom Mieter abhängig bei der Datenbereitstellung etwa zum Energieverbrauch, die eine wesentliche Grundlage für die energetische Optimierung des Bestandes darstellt.“

Da die Nebenkosten eines Gebäudes mit hohem ESG-Niveau häufig höher seien als bei einer Immobilie mit niedrigem Standard, entscheide sich der Mieter oft zugunsten der kostengünstigeren Variante. Das sei im Sinne übergreifender Klimaziele nicht zielführend. „Deshalb wäre ein für alle Stakeholder verpflichtendes Nachhaltigkeitskonzept für Gebäude wirkungsvoller als Einzelmaßnahmen“, sagt Wärntges.

Die aktuelle Befragung für die Erneuerung der unternehmenseigenen ESG-Roadmap zeige, wie groß die Unsicherheit sei. „Dem Thema wird hohe Bedeutung beigemessen. Aber es gibt sehr viele offene Fragen und hohen Informations- und Beratungsbedarf.“ Daher sei es wichtig, einen einheitlichen Rahmen mit Richtwerten und Standards zu schaffen, die Nachhaltigkeit systematisch definierten, vergleichbar machten und damit Leitplanken setzten.

Auch in der Finanzierung spielt Nachhaltigkeit laut Wärntges zunehmend eine Rolle. Den Banken werde vorgegeben, was sie finanzieren dürfen. Jedoch fehle es an einem ESG-Orientierungsrahmen zur Bewertung. Auch das zeige: „Man muss erst mal die notwendigen Daten sammeln und strukturieren“, stellt Wärntges fest.

Beim Thema Umwelt stehen der CO2-Fußabdruck und die Nutzung erneuerbarer Energien im Vordergrund. Die Bestandsaufnahme sei Dreh- und Angelpunkt, reiche aber nicht aus. „Die Frage ist doch: Welche Maßnahmen bringen welches Ergebnis? Das herauszufinden ist bei einer Bestandsimmobilie außerordentlich komplex und von Immobilie zu Immobilie unterschiedlich. Man braucht Vergleichsdaten, um zu beurteilen, ob sich eine Investition lohnt“, sagt Wärntges. Derzeit entwickele DIC für zehn Objekte entsprechende Konzepte. Das Beispiel Wilhelminenhaus in Darmstadt zeige, was man erreichen könne: In Zusammenarbeit mit dem Mieter, dem Regierungspräsidium, sei es gelungen, den Primärenergieverbrauch deutlich zu senken.

Der transparenteste Weg sei momentan die Zertifizierung von Immobilien. Neben den gesetzlichen Vorgaben zur Energieeinsparung greift DIC dabei auf Marktstandards für nachhaltige Gebäudezertifizierungen wie BREEAM, LEED oder DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) zurück. Damit werde Transparenz beispielsweise bezüglich der Nachhaltigkeit er­reicht, betont Wärntges. „Daran können sich Mieter und Investoren orientieren.“

Grüne Finanzierungen

Bei DIC Asset gelten aktuell rund 11% des Eigenbestands als Green Buildings. Der Anteil soll bis Ende 2023 auf 20% steigen. Dazu hat sich das Unternehmen bei der Platzierung einer grünen Anleihe im September verpflichtet. Auch die im April 2021 emittierten Schuldscheine sind an dieses Kriterium gebunden: Steigt der Anteil grüner Gebäude im Eigenbestand bis Ende 2023 auf 20% oder mehr, sinkt der Zins in den Folgeperioden um fünf Basispunkte. Bleibt er unter 15%, steigt der Kupon um fünf Punkte. Der Bond brachte 400 Mill. Euro in die Kasse, die für die Erweiterung des grünen Teilportfolios vorgesehen sind, der Schuldschein 250 Mill. Euro.

Ende September verfügte das Frankfurter Unternehmen über 604 Mill. Euro Liquidität. „Damit sind wir solide ausgestattet“, versichert Wärntges. Die Rückzahlung eines 180-Mill.-Euro-Bonds und einer 80-Mill.-Euro-Tranche aus dem vorherigen Schuldschein im nächsten Jahr seien damit ausfinanziert.

Das Mittelfristziel, das Gesamtportfolio auf 15 Mrd. Euro aufzustocken, werde DIC bis Ende 2023 erreichen, ist Wärntges überzeugt. Ende September beliefen sich die verwalteten Assets auf 11,4 Mrd. Euro. Davon entfallen 9,3 Mrd. Euro auf das institutionelle Geschäft, in dem das Unternehmen für Investoren Immobilien managt, und 2,1 Mrd. Euro auf den Eigenbestand. Jährlich kämen Assets im Wert von 1,5 Mrd. bis 2 Mrd. Euro hinzu, sagt die Firmenchefin. Bei den Zukäufen steht – neben grünen Immobilien – der Logistiksektor im Fokus.

Mit dem inzwischen dritten Logistikfonds investiert DIC auch in Benelux und Österreich. Gerade die Niederlande seien „superinteressant“, meint Wärntges unter Verweis auf die Häfen und die Anbindung an die Seidenstraße und damit den Warenaustausch mit China. Auch für den Eigenbestand baut DIC eine Logistiksparte auf, deren Portfolioanteil von derzeit 4% weiter zunehmen soll.

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