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Ein Tuch für Betuchte

Apples Zubehörangebot wächst und wächst. Einst kostenlos mitgelieferte Beigaben tragen heute stolze Preisschilder. So kann Apple bei stabilen Produktpreisen doch immer mehr verdienen.

Ein Tuch für Betuchte

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

„Barrierefreiheit ist in alle Produkte integriert, die wir kreieren“, betont Apple-CEO Tim Cook immer wieder. Und tatsächlich gibt es kaum ein Technologieunternehmen, das sich vergleichbar stark bemüht, auch Menschen mit Behinderungen Zu­gang zu moderner Technologie zu ermöglichen. Eine Barriere hat Apple indes nicht aus dem Weg geräumt: die Preisbarriere.

Zwar verweist Apple gerne darauf, dass die neuen iPhones „zum selben hervorragenden Preis“ der Vorgängermodelle zu haben sind. An der Preisschraube dreht der Konzern dennoch – bei Zubehör, Reparaturkosten, Versicherung und Ersatzteilen. Ein Beispiel: Wer noch ein Macbook Pro (15 Zoll) mit dem alten Magsafe-2-Ladekabel besitzt, kann ein Ersatzladegerät für 85 Euro erwerben, wenn das alte Ladegerät verloren geht. Für die neuen Macbooks Pro (16 Zoll) mit Magsafe-3-Anschluss kostet allein der Ladestecker ohne Kabel 105 Euro. Für das Kabel werden noch einmal 55 Euro fällig, wenn beides verloren geht. Der Preis steigt hier also von 85 auf 160 Euro. Ähnliches lässt sich über fast die komplette Zubehörliste beobachten. Beim Spitzenrechner Mac Pro kosten allein die Rollen 849 Euro.

Auch die kabellose Zukunft, die der Konzern aus Cupertino seinen Kunden verkauft, lässt er sich teuer bezahlen. So wird dem iPhone neben dem Ladestecker seit einiger Zeit auch kein Kopfhörer mehr beigelegt. Apple empfiehlt den Zukauf der kabellosen Airpods, die in der alten, zweiten Generation noch für 149 Euro im Apple Store zu haben sind. Für die neue dritte Generation werden nun 199 Euro fällig. Ein stolzer Preis für ein Produkt, dessen Batterien sich nicht wechseln lassen und das je nach Nutzungsintensität schon allein wegen des Abbaus der Batteriekapazität alle zwei bis drei Jahre ausgetauscht werden dürfte.

Zwar gibt es für iPhone-Nutzer noch die günstigen kabelverbundenen Earpods für nur 19 Euro. Spätestens die Besitzer einer Apple Watch müssen indes auf drahtlose Ohrhörer ausweichen, wenn das Versprechen der Musik vom Handgelenk, das Apple in der Werbung abgibt, auch eingelöst werden soll. Da steigt dann im Apple-Universum der Preis der Einstiegsvariante Apple Watch SE von 299 Euro mal eben um knapp die Hälfte, nur um diese wie angepriesen nutzen zu können.

Wer glaubt, im 11 Zoll großen iPad Pro einen günstigen Macbook-Ersatz gefunden zu haben, wird bei genauerer Recherche schnell eines Besseren belehrt. Mit dem Smart Keyboard Folio (199 Euro) und dem obligatorischen Multiport Adapter (79 Euro) liegt man bei gleicher Speicherkonfiguration preislich bereits um 140 Euro über dem günstigsten Macbook Air. Wenn noch ein Trackpad und ein Eingabestift gewünscht werden, steigt die Preisdifferenz um weitere 275 Euro. Die Befürchtung manches Unternehmensbeobachters, Apple werde seine Premiumpreise in der Zeit nach Steve Jobs nicht halten können, hat sich nicht bewahrheitet, wie man gut zehn Jahre nach dem Tod des ikonischen Gründers und CEOs konstatieren muss.

Im Gegenteil: So ungeniert wie 2021 hat Apple unter dem Tech-Guru im schwarzen Rollkragen-Shirt noch längst nicht zugelangt. Und das bezieht sich nicht nur auf Ladestecker, Kopfhörer und die fast schon in Vergessenheit geratene Docking-Station, die beim ersten iPhone mitgeliefert wurden. Auch ein Reinigungstuch mit Apple-Logo war beim Premieren-iPhone noch Teil des Pakets. In dieser Woche hat das Stofftuch sein Comeback gefeiert – für satte 25 Euro im Apple Store. Der edle Lappen empfiehlt sich mit einer der längsten Kompatibilitätslisten im Zubehör-Katalog. Er sei geeignet für sämtliche Apple-Bildschirme bis hin zum Nanotexturglas des Pro Display XDR für 6499 Euro bzw. 7598 Euro inklusive Standfuß. Wahrlich ein Tuch für Betuchte. Als letzte Barriere bleibt der Preis.

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