Luftfahrt

Flugchaos trifft auch Fracht­verkehr

Die Airlines versuchen des Chaos Herr zu werden, derweil drohen neue Störfaktoren: Bei der skandinavischen Airline SAS stehen Pilotenstreiks bevor.

Flugchaos trifft auch Fracht­verkehr

lis/dpa-afx Frankfurt

Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt haben die aktuellen Abfertigungsprobleme mittlerweile auch Folgen für den Luftfrachtverkehr. Eine Maßnahme, um das Gesamtsystem zu stabilisieren, sei, dass neben Passagier- auch einzelne Frachtairlines Flüge etwa aus Spitzenzeiten in verkehrsärmere Zeiten verlegen oder streichen, sagte eine Sprecherin des Flughafens der dpa. Mit Blick auf den Personalmangel werde bei den Abfertigungen von Passagier- als auch von Frachtmaschinen geschaut, wo der Bedarf am größten sei.

Der Betrieb der Frachtairline Lufthansa Cargo sei durch den Personalmangel in Frankfurt „empfindlich“ gestört, sagte eine Sprecherin der Gesellschaft. Um Last aus dem System zu nehmen, sei nun bis zum 10. Juli ein Embargo auf verschiedene Tierarten gesetzt. Im Passagierverkehr der Lufthansa wurde ein Verkaufsstopp für die günstigen Tarife auf innerdeutschen und europäischen Strecken sowie Nordamerika-Routen verhängt. Mit der zeitlich begrenzten Maßnahme will Luft­hansa Plätze für Umbuchungen frei halten, die sich aus den bereits zuvor angekündigten Flugstreichungen er­geben. Man wolle allen Gästen, die von einer Flugstreichung betroffen sind, eine alternative Reisemöglichkeit anbieten. Um dies sicherzu­stellen, habe das Unternehmen die Verfügbarkeit auf Lufthansa-Flügen für Neubuchungen im Juli reduziert.

Deutschland ist derweil nicht alleine vom Flugchaos betroffen. In Spanien wird der Verkehr durch diverse Streiks belastet. So will etwa das Kabinenpersonal der Billigairline Ryanair im Juli an weiteren zwölf Tagen für bessere Arbeitsbedingungen streiken, auch das Kabinenpersonal von Konkurrent Easyjet legt in Spanien die Arbeit bis Ende Juli an insgesamt neun Tagen nieder. Am Pariser Flughafen Roissy-Charles-de-Gaulle führten Warnstreiks am Wochenende erneut zu Annullierungen. Die skandinavische Flugge­sellschaft SAS steht vor einem Pilotenstreik (siehe obenstehenden Be­richt). Um das Chaos im britischen Luftverkehr zu bewältigen, lockert die britische Regierung die Vorschriften für die Start- und Landerechte an den Flughäfen. Die Airlines können nun Verbindungen streichen und auf die sogenannten Slots verzichten, ohne fürchten zu müssen, diese teuren Startrechte zu verlieren. Für den Personalmangel an den britischen Flughäfen machte Ryanair-Chef Michael O’Leary „die Katastrophe“ des Brexits verantwortlich. Seit dem britischen EU-Austritt sei es für Fluglinien schwierig geworden, EU-Ar­beitskräfte einzustellen, sagte O’Leary der „Financial Times“.

Profiteur Deutsche Bahn

Mit Blick auf etliche Flugausfälle und -verspätungen zieht das Verbraucherschutzministerium in Deutsch­land unterdessen die Überprüfung der Vorkassepraxis in Betracht. Das Ressort von Bundesministerin Steffi Lemke (Grüne) appellierte einer Sprecherin zufolge an die Flugunternehmen, ihrer „gesetzlichen Pflicht zur Rückerstattung innerhalb von sieben Tagen proaktiv“ nachzukommen. „Sonst wird man die Vorkassepraxis in ihrer jetzigen Form überprüfen müssen.“ Bei der Vorkassepraxis hätten Fluggäste ein hohes Risiko. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Matthias von Randow, wies darauf hin, jeder Reisende habe auch heute schon die Wahl, ob er frühzeitig buchen will und damit Frühbucherrabatte nutzen oder sehr kurzfristig vor Reiseantritt buchen und bezahlen möchte.

Doch es gibt auch Chaos-Profiteure: Durch die Streichung innerdeutscher Flüge steigt das Fahrgastaufkommen bei der Deutschen Bahn. „Immer mehr Menschen nutzen in der aktuellen Lage innerdeutsch die Bahn statt den Flieger“, sagte ein Sprecher dem „Spiegel“. Sprinter-Züge entlang der innerdeutschen Flugstrecken sind zu 40% stärker ausgebucht, viele Tickets kaufen die Airlines dabei als Ersatz für gestrichene Flüge.