Großereignisse

Fußball-EM gibt Sponsoren einen Kick

Auch mit Olympischen Spielen erzielen Unternehmen eine starke Werbewirkung. Trotz Kritik an den Veranstaltungen sollen sie nicht darauf verzichten, meint ein Experte für Konsumgüter.

Fußball-EM gibt Sponsoren einen Kick

Von Joachim Herr, München

Gesänge, Anfeuerungsrufe und Jubel des Publikums sind in die Stadien zurückgekehrt: Die Fußball-Europameisterschaft ist das erste große Sportereignis in der Corona-Pandemie, zu dem wieder viele Tausend Zuschauer kommen dürfen. Die erlaubte Zahl variiert stark zwischen den elf Spielorten: In Budapest dürfen alle 61000 Plätze besetzt werden, in München 14000, was einem Fünftel der Kapazität entspricht.

Auch Sponsoren und besonders die Sportartikelindustrie atmen auf. So rechnet Adidas nach dem Wiederöffnen der Arenen mit einem starken Anstieg der Umsätze mit Fußballartikeln, wie Vorstandschef Kasper Rorsted vor kurzem sagte. Begeisterung im und ums Stadion sowie auf öffentlichen Plätze, wo die Spiele auf großen Bildschirmen zu sehen sind, soll das Geschäft anheizen.

Allerdings: An den ersten Tagen war die Zahl der Fernsehzuschauer in Deutschland nicht so hoch wie zu Beginn der EM 2016. Damals sahen das Eröffnungsspiel Frankreich gegen Rumänien mehr als 15 Millionen Zuschauer. Nun erreichte an den ersten vier Tagen kein Spiel einen zweistelligen Millionenwert. Erst die 0:1-Niederlage von Deutschland gegen Frankreich am Dienstagabend erzielte hohe Werte: 22,55 Millionen brachten dem ZDF einen Marktanteil von gut zwei Drittel. Vor fünf Jahren waren es beim Auftaktmatch gegen die Ukraine jedoch 26,57 Millionen.

Stimmung und Kulisse im Stadion strahlen auch auf die Zuschauer vor den Bildschirmen aus, meint York von Massenbach, Experte für Konsumgüter und Handel von der Managementberatung Atreus: „Impulskäufer reagieren auf Emotionen.“ Gut besetzte Zuschauerränge mit einem lebhaften Publikum seien auf jeden Fall auch für Sponsoren von Vorteil.

Die Großveranstaltungen sind allerdings oft umstritten, nicht nur wegen ihrer Kommerzialisierung, Umweltbelastung und Korruption in Verbänden. Sie stehen auch in der Kritik, weil autoritäre und autokratische Regime wie Russland und China diese als Propagandainstrument nutzen oder weil Menschenrechte missachtet werden wie auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar.

„Maximale Aufmerksamkeit“

Von Massenbach ist der Ansicht, dass Unternehmen dennoch nicht auf diese Plattformen verzichten können: „Das sind Großereignisse mit maximaler Aufmerksamkeit und Werbewirkung.“ In Zeiten einer Reizüberflutung angesichts der Vielfalt sozialer Medien und etwa auch von Videospielen sei das Sponsoring von Olympia oder einer Fußball-EM sehr wichtig, um Konsumenten zu erreichen – besonders jüngere Zielgruppen. Nachteil sei ein gewisser Streuverlust der Marketingausgaben: „Werbung für Olympia hat eher einen Gießkanneneffekt“, sagt der Berater. In den sozialen Medien können Unternehmen dagegen dank tiefer Analysen gezielt einzelne Gruppen nach Alter und Nutzungsverhalten ansprechen.

Sponsoren setzen sich auch selbst der Gefahr von Kritik aus – nicht nur weil sie die Veranstaltungen unterstützen, sondern weil diese ein Millionenpublikum vielerorts finden. Kurz vor Anpfiff der EM-Partie Deutschland gegen Frankreich landete im Stadion ein Motorschirmflieger von Greenpeace mit der Aufschrift: „Kick out Oil!“ Die mit einer Notlandung missglückte Aktion richtete sich gegen Volkswagen, den „offiziellen Mobilitätspartner“ des Deutschen Fußball-Bundes. VW konterte den Protest, der Leib und Leben Unbeteiligter gefährdet habe, mit der Botschaft, offen für den kritischen und konstruktiven Dialog in Sachen Umwelt und Nachhaltigkeit zu sein und sich klar zum Pariser Klimaabkommen bis 2050 zu bekennen.

Coca-Cola traf gar auf Ablehnung eines Superstars: Cristiano Ronaldo stellte zwei Flaschen der süßen Brause zu Beginn einer Pressekonferenz weit von sich. Auf die unausgesprochene Kritik des Portugiesen reagierte der Konzern etwas unbeholfen: Jeder dürfe trinken, was er wolle.

Im Gegensatz zu Vereinsmannschaften dürfen Nationalteams nicht auf ihren Trikots für Unternehmen werben. Eine besondere Bedeutung haben allerdings die Sportartikelanbieter, die die Ländermannschaften ausrüsten. So war das Match Deutschland gegen Frankreich auch ein Spiel Adidas gegen Nike. Wie der Weltmeister Frankreich spielen bei der EM noch acht andere Teams in Trikots von Nike. Adidas folgt mit acht Mannschaften, Puma mit vier, die kleinen Wettbewerber Jako, Joma und Hummel mit jeweils einer.

Reklame in eigener Sache

Eine EM und erst recht eine WM sind auch Plattformen für Spieler, besonders für relativ unbekannte, um international Aufmerksamkeit zu finden und ihren Marktwert zu steigern. Dass Geld Tore schießt, zeigten die Auftaktsiege der teuersten Teams England und Frankreich (siehe Grafik). Der große Ausreißer war Finnland mit dem 1:0 gegen Dänemark. Doch diese Partie war wegen des Kollapses des Dänen Christian Eriksen ohnehin eine ganz besondere.