RECHT UND KAPITALMARKT

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Neuregelung der steuerlichen Verlustnutzung birgt viele unbeantwortete Fragen

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Von Ludwig Weber *)Eine Neuregelung der steuerlichen Verlustnutzung soll dafür sorgen, dass Investitionen in Kapitalgesellschaften mit Verlustvorträgen erleichtert werden. Das neue Gesetz hat aber nicht nur Vorteile, sondern bringt ebenfalls eine Fülle von Problemen und Rechtsunsicherheiten mit sich. Die Probleme der Neuregelung, die der Bundestag am 1. Dezember verabschiedete und der der Bundesrat am 16. Dezember 2016 zustimmte, werden jedoch nicht sofort sichtbar. Auf den ersten Blick bietet die neue Regelung, die mit § 8d des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) rückwirkend zum 1. Januar 2016 eingeführt wurde, erhebliche Chancen für kapitalbedürftige Unternehmen – unabhängig davon, ob der Grund dafür Wachstum oder eine wirtschaftliche Schieflage ist. Ziel des Gesetzgebers war es, damit insbesondere jungen Unternehmen das Wachstum zu erleichtern. Vorteile überlagertSieht man sich das neue Gesetz jedoch genauer an, zeigt sich, dass die Vorteile von Problemen und Rechtsunsicherheiten überlagert werden, die potenzielle Investoren voraussichtlich eher abschrecken als anziehen werden. Um dies zu verdeutlichen, ist zunächst ein Blick auf die weiter geltende Regelung des § 8c KStG notwendig: Diese besagt, dass nicht genutzte Verluste einer Körperschaft bei einem Gesellschafterwechsel zwischen 25 und 50 % anteilig und bei einem Gesellschafterwechsel von mehr als 50 % in Gänze wegfallen. Hiervon gab es bis zur Neuregelung nur zwei Ausnahmen. Verlustvorträge können nach § 8c KStG trotz schädlichem Gesellschafterwechsel weiter genutzt werden, sofern- der Beteiligungserwerb ausschließlich im Konzernkreis stattfindet oder- stille Reserven in den Anteilen enthalten sind.Besonders problematisch ist diese Regelung für Start-ups und Unternehmen in finanzieller Schieflage: War deren Geschäftsmodell an sich tragfähig und fand sich ein Investor, so behinderten die Verlustnutzungsregelungen oftmals die Entwicklung beziehungsweise Sanierung durch neue Gesellschafter – im Extremfall verhinderten sie diese sogar komplett. Die Beschränkungen waren zumindest in denjenigen Fällen zu restriktiv, in denen die Kontinuität und der Bestand des Geschäftsbetriebs der Körperschaft gesichert werden mussten und nicht bloß steuerlich motivierte Mantelkäufe vorlagen. FortführungsgebundenUm dieser Problematik Rechnung zu tragen, wurde mit § 8d KStG der “fortführungsgebundene Verlustvortrag” eingeführt. Danach soll eine Körperschaft ihre angesammelten Verlustvorträge auf Antrag auch bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des § 8c KStG weiterhin nutzen können. Erforderlich dafür sind folgende Voraussetzungen:- Die Körperschaft unterhält seit drei Jahren oder zumindest seit Gründung ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb.- Der Geschäftsbetrieb ist weder ein- noch ruhend gestellt oder einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt.- Es tritt keines der weiteren schädlichen Ereignisse ein, die in § 8d KStG normiert sind.In diesem Zusammenhang wird allein die Klärung der Frage, wie derselbe Geschäftsbetrieb weiterhin zu unterhalten ist, eine wahre Flut von Streitigkeiten über die Auslegung dieser Regelung nach sich ziehen. Denn das Gesetz beantwortet diese Frage nicht, sondern liefert dafür lediglich “qualitative Merkmale”. Klarheit hierüber wird es wohl erst in einigen Jahren durch höchstrichterliche Rechtsprechung geben.Selbst wenn man diese Fragestellung ausblendet, dürften potenzielle Gesellschafter allein dadurch verunsichert sein, dass sie im Rahmen ihrer betriebswirtschaftlichen Kalkulation nur aus steuerlichen Gründen an einem Geschäftskonzept festhalten müssten, das in der Zukunft – eventuell auch erst Jahre nach dem Einstieg – überkommen und anpassungsbedürftig werden könnte.Zudem ist es alles andere als förderlich, dass das Gesetz zu einer Koexistenz alter und neuer Regelungen führt. Unternehmen können zwar jetzt wählen, ob die Beschränkungen bei schädlichem Anteilseignerwechsel nach § 8c KStG angewendet werden sollen oder nicht. Kommt es jedoch bei einem Anteilseignerwechsel von 25 bis 50 % und Ausübung der Option nach § 8d KStG nachträglich dazu, dass die Voraussetzungen des § 8d KStG – zum Beispiel durch eine erforderliche Anpassung des Geschäftsmodells – entfallen, könnten vorbehaltlich der Stille-Reserven-Klausel dann anders als nach § 8c KStG sämtliche und nicht bloß anteilig die noch bestehenden Verlustvorträge untergehen.Es zeigt sich: Das an sich völlig richtige Ansinnen des Gesetzgebers, Investitionen in Kapitalgesellschaften mit Verlustvorträgen in Deutschland zu erleichtern, birgt eine Vielzahl ungeklärter Fragen und Stolperfallen, die es sorgfältig zu berücksichtigen gilt.—-*) Dr. Ludwig Weber ist Partner bei Schultze & Braun.