Kohle ohne Ende für den Ausstieg

Letzte Zeche schließt: 200 Mrd. Euro für Steinkohle - 60 Mrd. Euro soll der Braunkohleausstieg verschlingen

Kohle ohne Ende für den Ausstieg

Am Freitag schließt die letzte deutsche Zeche in Bottrop. Je nach Berechnung hat der Ausstieg aus dem Kohlebergbau die Steuerzahler bis zu 200 Mrd. Euro an Subventionen gekostet. Schon steht der nächste teure Ausstieg bevor: Für den Strukturwandel nach dem Ende der Braunkohle werden 60 Mrd. Euro gefordert.cru Düsseldorf – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kommen am Freitag (21. Dezember) zur Zeche Prosper-Haniel nach Bottrop, wenn dort symbolisch der letzte Förderwagen mit Steinkohle ans Tageslicht kommt. Es wird ein historischer Moment – nach mehr als 150 Jahren industrieller Steinkohleförderung verschwindet eine Traditionsbranche aus Deutschland. Ein Schritt, den die Braunkohle, um deren Zukunft gerade erbittert gerungen wird, noch vor sich hat.Auf Druck der Politik und der Bergarbeitergewerkschaft hatten sich die Bergwerksbesitzer am 27. November 1968 zur Ruhrkohle AG zusammengeschlossen. Die Fusion der damals noch fördernden 52 Schachtanlagen gilt als erster wichtiger Schritt des geordneten Rückzugs des deutschen Steinkohlebergbaus mit in der Spitze in den 50er Jahren rund 600 000 Bergleuten. Der Ausstieg dauerte 50 Jahre und kostete zig Subventionsmilliarden. Wie viele genau, das lässt sich wohl nicht sagen – über Subventionen reden Politik und Unternehmen nicht gern. Nur der Mechanismus ist klar: Die Differenz zwischen den Förderkosten der heimischen Steinkohle und dem Weltmarktpreis wurde vom Staat ausgeglichen – zugunsten der Energiekonzerne und Stahlkonzerne, die zugleich Abnehmer der Kohle und Eigentümer der Bergwerke waren. “Zuschüsse für den Absatz deutscher Steinkohle zur Verstromung, zum Absatz an die Stahlindustrie sowie zum Ausgleich von Belastungen infolge von Kapazitätsanpassungen”, nannte die Bundesregierung das in einem Bericht aus dem Jahr 2017. Ostländer fordern teure HilfeAls das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI 2005 nachrechnete, standen unter dem Strich fast 130 Mrd. Euro. “Das waren vor allem Absatzhilfen, um die teure deutsche Steinkohle überhaupt verkaufen zu können”, sagt der an der Untersuchung beteiligte Energieökonom Manuel Frondel. Inzwischen “dürften wir uns auf rund 200 Mrd. Euro an Subventionen zubewegen, die geflossen sind und noch fließen”.Etwas weniger teuer könnte der bevorstehende Braunkohleausstieg werden – aber auch dieser wird Milliarden verschlingen: Ein Sofortprogramm für den Strukturwandel und einen Fonds über 60 Mrd. Euro zur wirtschaftlichen Absicherung des Kohleausstiegs – das fordern die drei Ministerpräsidenten Brandenburgs, Sachsens und Sachsen-Anhalts. Dabei geht es gar nicht einmal um so viele Arbeitsplätze – jedenfalls nicht direkt. Nur etwa 20 000 Arbeitsplätze hängen direkt an der Braunkohle in den Tagebauen und Kraftwerken. In energieintensiven Industrien wie der Chemie, die auf einen niedrigen Strompreis angewiesen sind, zählt das von RWE beauftragte Analysehaus Frontier Economics aber rund 650 000 Beschäftigte, deren Arbeitsplätze über den steigenden Strompreis vom Kohleausstieg betroffen wären.Näheres zu den Strukturwandel-Subventionen wird der Bericht der Kohlekommission der Bundesregierung enthalten, den das Gremium am 1. Februar 2019 vorlegt. Gefordert wird neben dem Milliardenfonds ein Begleitgesetz, das den Bund verpflichtet, Behörden und Bundeseinrichtungen in den Braunkohlegebieten anzusiedeln und ein Planungsbeschleunigungsgesetz, um den Ausbau der Infrastruktur anzutreiben.Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, sieht den mit Milliardenhilfen abgefederten Ausstieg aus der Steinkohle als Vorbild für den Strukturwandel nach der Braunkohle: “Wir haben dafür gesorgt, dass niemand ins Bergfreie gefallen ist.” Das sei “eine soziale Errungenschaft, die nicht hoch genug geschätzt werden kann”. Das müsse auch “Leitsatz für die Gestaltung aller industriellen und strukturpolitischen Transformationen der Zukunft sein”. Mit 50 in Rente gehenIm Steinkohlenbergbau sind Zehntausende Arbeitsplätze ohne Entlassungen abgebaut worden. Allein in den vergangenen 20 Jahren wurden nach Angaben des Bergbaukonzerns RAG rund 85 000 Stellen gestrichen. Rund 45 000 Mitarbeiter gingen in den Vorruhestand. Bergleute können nach 25 Jahren unter Tage mit 50 Jahren in Rente gehen. Gewerkschafter Vassiliadis verteidigt die Subventionen. Seit Beginn der staatlichen Förderung 1960 seien im Schnitt gut 2 Mrd. Euro pro Jahr in die deutsche Steinkohle geflossen. “So viel zahlen wir Stromkunden an EEG-Umlage heute pro Monat.”