Bitkom-Analyse

Mangel an IT-Fachkräften verstärkt sich weiter

Unternehmen in Deutschland brauchen im Schnitt fast acht Monate, bis sie eine Position für eine IT-Fachkraft neu besetzen können. Die Zahl der offenen Stellen ist laut einer Bitkom-Erhebung erneut gestiegen.

Mangel an IT-Fachkräften verstärkt sich weiter

Mangel an IT-Fachkräften verstärkt sich

Bitkom-Umfrage zeigt viele unbesetzte Stellen in Unternehmen – Gewinnung ausländischer Mitarbeiter ist kompliziert

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

In deutschen Unternehmen sind derzeit 149.000 Stellen für IT-Fachkräfte nicht besetzt, noch einmal etwa 12.000 mehr als im Vorjahr. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Bitkom Research unter gut 850 Unternehmen mit mehr als drei Beschäftigten, die dem Digitalverband zufolge repräsentativ für die Gesamtwirtschaft ist. Besonders schwer tun sich kleinere Mittelständler mit bis zu 10 Mill. Euro Umsatz bei der Rekrutierung von IT-Spezialisten: Auf sie entfallen etwa 70% der offenen Stellen. Nur 3% der Umfrageteilnehmer haben nach eigenen Angaben keine Schwierigkeiten, Positionen für IT-Fachkräfte zu besetzen.

Laut Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst handelt es sich beim Mangel an IT-Fachkräften um „ein systemisches Problem der deutschen Wirtschaft“. Die Zahl offener Stellen ist nur während der Corona-Pandemie unter die Marke von 100.000 gefallen, seitdem steigt sie wieder an. Der Mangel bestehe „unabhängig von Konjunkturzyklen".

Langwierige Besetzung

Wenn eine IT-Stelle vakant ist, dauert es im Schnitt mehr als ein halbes Jahr, bis die befragten Unternehmen eine Nachbesetzung vermelden können. 7,7 Monate waren IT-Stellen durchschnittlich unbesetzt (2022: 7,1 Monate). 60% der Teilnehmer sagen, dass offene Stellen für IT-Fachkräfte eher langsamer besetzt werden als andere Positionen.

„Die Bewerber können sich die Unternehmen aussuchen, das führt zu längeren Besetzungszeiten“, sagte Wintergerst am Mittwoch bei der Vorstellung der Zahlen vor Journalisten. Hochspezialisierte Stellen, etwa im Bereich Cybersicherheit, seien häufig sogar noch länger vakant. Dies sei auch ein Grund für die schleppende Digitalisierung: „Wir müssen offene IT-Stellen besetzen, damit wir bei der Digitalisierung vorwärtskommen.“

Bürokratische Hürden

Bei der Stellenbesetzung in den vergangenen zwölf Monaten hat fast jedes vierte Unternehmen (23%) auf Quereinsteiger zurückgegriffen, 17% haben Studienabbrecher eines IT- oder IT-nahen Studiengangs eingestellt. Die Abbrecherquote in dem Bereich ist hoch, laut Bitkom beendet fast die Hälfte der Erstsemester das Informatikstudium nicht.

Die Möglichkeit, IT-Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen, ist nur für ein Fünftel der teilnehmenden Unternehmen eine Option. Seit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes haben laut Bitkom erst 8% versucht, Fachkräfte anzuwerben, weitere 14% können sich dies für die Zukunft vorstellen.

Unter den gut 70 Unternehmen, die bereits versucht haben, Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren, sind viele auf Hürden gestoßen. 75% klagen über mangelnde Informationen zum Einwanderungsprozess der Arbeitskräfte. Zwei Drittel bezeichnen den bürokratischen Aufwand als sehr hoch. Bei 44% der Unternehmen dauerte die Erteilung des Visums zu lange.

Deutschland muss ein attraktives Einwanderungsland werden.

Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst

Auch die Arbeitnehmer haben sich anscheinend nicht immer willkommen gefühlt. 80% der ausländischen IT-Fachkräfte klagten den Unternehmen zufolge über bürokratische Hürden. 62% berichteten allerdings auch von Ausländerfeindlichkeit, und 10% erlebten demnach Anfeindungen am Arbeitsplatz. Deutschland präsentiere sich nicht als attraktiver Arbeitsort für die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland, mahnt Wintergerst: „Wir müssen daran arbeiten, dass die Stimmung im Land so ist, dass sich Fachkräfte willkommen fühlen.“ Dies beginne bei den bürokratischen Anforderungen und der Einreise und reiche bis zur Aufnahme der Fachkräfte am Arbeitsplatz. „Deutschland muss ein attraktives Einwanderungsland werden.“

Viele Gespräche scheitern am Geld

Wenn Unternehmen mit möglichen Kandidatinnen oder Kandidaten über einen möglichen Einstieg sprechen, dann scheitern Besetzungen oft am Geld: Die am häufigsten genannte Schwierigkeit liegt darin, dass die Gehaltsvorstellungen der IT-Fachkräfte nicht zum Gehaltsgefüge passen. 61% der Unternehmen haben dies bereits erlebt (Mehrfachnennungen möglich). 56% hatten bereits Fälle, in denen die Gehaltsvorstellungen sich nach Einschätzung der Arbeitgeber nicht mit den Qualifikationen deckten.

46% nennen fachlich unterqualifizierte Kandidaten als Hindernis, 41% vermissten bei den potenziellen IT-Fachkräften die notwendigen Soft Skills. Auch das Arbeitsumfeld spielt eine Rolle: 40% der Unternehmen haben schon erlebt, dass sie die gewünschten Anforderungen an mobiles Arbeiten nicht erfüllen konnten.

Jedes vierte Unternehmen kommt erst gar nicht in die Verlegenheit, sich über mögliche Hürden Gedanken machen zu müssen – 26% der Teilnehmer geben an, dass sie „praktisch keine Bewerbungen“ erhalten.

Unternehmen in Deutschland brauchen im Schnitt fast acht Monate, bis sie eine Position für eine IT-Fachkraft neu besetzen können. Das hat eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergeben. Die Zahl der offenen Stellen steigt. Wer auf Fachkräfte aus dem Ausland setzt, muss hohe bürokratische Hürden nehmen.