Insolvenzen

Mehr große Unternehmen geraten in Schieflage

Die Zahl der Großinsolvenzen in Deutschland steigt. Gerade in den höheren Umsatzklassen nehmen die Fallzahlen zu, wie zwei aktuelle Auswertungen zeigen. Experten sehen dies allerdings nach wie vor als Teil einer Normalisierung.

Mehr große Unternehmen geraten in Schieflage

Mehr große Unternehmen
geraten in Schieflage

Analysen zeigen steigende Insolvenzzahlen

sar Frankfurt

Im dritten Quartal 2023 ist die Zahl der Großunternehmen, die Insolvenz beantragt haben, erneut gestiegen. Laut einer Analyse der Restrukturierungsberatung Falkensteg stieg die Zahl der Insolvenzanträge von Unternehmen mit einem Umsatz über 10 Mill. Euro auf 76 Anträge, das sind 14 Fälle mehr als im Vorquartal. Dabei haben insbesondere Unternehmen mit 20 bis 50 Mill. Euro Jahresumsatz häufiger den Gang zum Insolvenzgericht antreten müssen.

In der Umsatzklasse über 100 Mill. Euro Jahresumsatz zählte Falkensteg im dritten Quartal zwölf Insolvenzen, dies ist der Analyse zufolge ein neuer Höchstwert. Insgesamt summieren sich die Umsatzzahlen der insolventen Unternehmen mit mehr als 10 Mill. Euro Jahresumsatz nach drei Quartalen auf einen Gesamtumsatz von 14,5 Mrd. Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum, als die betroffenen Unternehmen für rund 7 Mrd. Euro Gesamtumsatz standen.

Handel besonders betroffen

Eine ähnliche Tendenz zeigt die Insolvenzstatistik von Allianz Trade. „Die großen Insolvenzen sind in diesem Jahr zurückgekehrt und nehmen Kurs auf den Höchststand aus 2020“, sagt Maxime Lemerle, Leiter Insolvenzforschung bei Allianz Trade. Besonders viele Pleitefälle habe es im bisherigen Jahresverlauf im Einzelhandel, bei Krankenhäusern und im Maschinenbau gegeben. Allianz Trade fokussiert sich bei Großinsolvenzen auf Unternehmen mit mindestens 50 Mill. Euro Jahresumsatz. Deren Zahl liege nach neun Monaten gut ein Drittel über dem Vorjahreszeitraum. Nimmt man auch kleinere Insolvenzen hinzu, so wurden der Allianz-Trade-Studie zufolge bislang in der Baubranche die meisten Insolvenzfälle verzeichnet, gefolgt vom Handel und Unternehmen im Dienstleistungssektor. Auch das Gastgewerbe zeige schon vor der Mehrwertsteuererhöhung Schwäche.

Vor-Pandemie-Niveau in Sichtweite

Insgesamt steigen die Insolvenzen in der Bundesrepublik der Analyse zufolge deutlicher als im weltweiten Durchschnitt. Dies geschehe allerdings von niedrigem Niveau aus. Am Jahresende 2023 dürften die Insolvenzen in Deutschland über alle Umsatzgrößen hinweg immer noch rund 5% unterhalb des Niveaus vor Ausbruch der Pandemie liegen, prognostiziert Allianz Trade.

Weltweit erwarten die Analysten einen Anstieg der Insolvenzen um 6% im laufenden Jahr und um nochmals 10% im Jahr 2024 (2022: +1%). Dabei handele es sich jedoch zumindest teilweise um eine Normalisierung und Rückkehr zu den Zahlen vor der Pandemie, schreiben die Analysten. Drei von fünf Ländern dürften laut Prognose bis Ende 2024 das Niveau der Unternehmensinsolvenzen vor der Pandemie erreichen, darunter große Märkte wie die USA und Deutschland.

Nachholeffekte bei Insolvenzen

Falkensteg-Partner Tillmann Peeters sieht in den steigenden Insolvenzzahlen, die im dritten Quartal im Umsatzbereich über 10 Mill. Euro besonders das Gesundheitswesen (16 Anträge) und die Immobilienwirtschaft (13 Fälle) betroffen haben, auch einen Nachholeffekt aus der Pandemie.

Betroffen seien vorwiegend Unternehmen, die schon vor Corona kein tragfähiges Geschäftsmodell hatten und nur durch staatliche Maßnahmen überleben konnten. „Dass diese Unternehmen nach dem Wegfall der Förderung und den Zinserhöhungen aus dem Markt ausscheiden, ist positiv“, sagt er.

Solche auch als „Zombie-Unternehmen“ bezeichneten Firmen stehen regelmäßig in der Kritik, weil sie Beschäftigte und Kapital für Geschäftsmodelle binden, die nicht nachhaltig erfolgreich sind.

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