Metzler erwartet Boom der E-Mobilität

Zahlreiche Anreize lassen Nachfrage in China hochschnellen - Schnellere Entwicklungszyklen empfohlen

Metzler erwartet Boom der E-Mobilität

Von Sebastian Schmid, FrankfurtGeneral Motors ist nach Analystenberechnungen bereit, 9 000 Dollar Verlust pro verkauften Chevrolet Bolt zu machen. Volkswagen will sich umbauen, um Weltmarktführer der Elektromobilität zu werden. Toyota hat sich nach Jahren der Konzentration auf den Hybridantrieb der Elektromobilität geöffnet. Für die Premiumanbieter Audi, BMW und Daimler, die jüngst mit anderen Autobauern eine Kooperation zum Ausbau eines Schnellladenetzes begründet haben, gilt das ebenfalls mehr oder weniger stark. Wenn auch nicht alle Beteiligten an einem Strang ziehen, so bewegen sich doch mittlerweile in eine Richtung. Automobilanalyst Jürgen Pieper von Metzler Capital Markets geht deshalb in seiner jüngsten Sektorstudie davon aus, dass die E-Mobilität am Anfang eines “epochalen Booms” steht.Mit der nach eigener Ansicht “konservativen Schätzung” eines 25-prozentigen Absatzanstiegs der E-Autos pro Jahr würden Hybride und rein batteriebetriebene Autos ihren Weltmarktanteil von derzeit 1,6 % auf fast 4 % steigern. Allerdings dürfte es regional noch merklich schneller gehen. Vor allem in China gebe es starke Anreize, erklärt Pieper. Noch vor der Geldprämie beim Kauf eines E-Autos, die bis zu 17 000 Euro erreichen kann, sei die lockere Vergabe von Nummernschildern ein Verkaufsargument. Während Käufer eines Autos mit konventionellem Antrieb in einen Lostopf kommen und auf eine Zulassung hoffen müssen, ist diese dem E-Autokäufer sicher. Bis 2020 will China zudem 13 Mrd. Euro in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur der Elektromobilität investieren. Verglichen mit diesem Aufwand, kommen die deutschen Bemühungen mit niedrigeren Prämien und Investitionen ausgesprochen zaghaft daher.In der Batterietechnologie, in der Europa hoffnungslos zurückliegt, ist das Reich der Mitte führend. Allerdings werden bald die USA vorbeiziehen. Dort hat zwar der künftige Präsident Donald Trump wenig für Klimaschutz übrig. Das zeigt sich schon daran, dass mit Scott Pruitt ein Zweifler am Klimawandel an die Spitze der Umweltschutzbehörde rücken soll. Allerdings werden Abgasbestimmungen wesentlich auf Bundesstaatsebene bestimmt. Zudem soll die “Gigafactory” genannte Batteriefabrik von Tesla ab 2018 eine jährliche Kapazität von 35 Gigawattstunden produzieren und dürfte die USA damit zum unumstritten größten Hersteller von Lithium-Ionen-Akkus machen. China wird wohl auch die Kapazität ausweiten. Europa hinkt bei dieser Schlüsseltechnologie im Elektroautobau derweil hoffnungslos hinterher (siehe Grafik).Auch die deutschen Autobauer räumen China in ihrer Elektrifizierungsstrategie hohe Priorität ein. So will Daimler die Autos der neuen Marke EQ dort produzieren. Auch eine Batteriefabrik sei ein Thema, hieß es zuletzt (vgl. BZ vom 7. Dezember). Von den hiesigen Herstellern sieht Pieper BMW wegen des frühen Markteintritts am Besten aufgestellt. Optimal lief es aber wohl auch für den Münchener Autobauer nicht. Gerade weil E-Mobilität am Anfang so teuer ist, sei es klug von Tesla gewesen, ins Premiumsegment mit Preisen über 100 000 Dollar zu gehen. Ein Mittelklassewagen wie der i3 habe einfach prozentual zu hohe Preisdifferenzen zu Alternativen mit Verbrennungsmotor aufgewiesen.Pieper warnt die Autobauer zudem davor, dass die intensiven Test- und Entwicklungszyklen, die es in Deutschland gibt, zum Problem werden könnten. Während ein deutsches Auto Jahre benötige, um vom Zeichenbrett auf die Straße zu kommen, dauere dies in China nur etwa zwölf Monate. “Wir sollten uns die Frage stellen: Brauchen wir diesen Aufwand?” Die Befürchtung, die E-Mobilität könne letztlich am Lithium-Bedarf scheitern, hält der Analyst für übertrieben. Zwar werde für eine vollständige Elektrifizierung des Autoverkehrs die vielfache Produktionsmenge benötigt. Auch so reichten die bekannten Reserven noch auf Jahrzehnte.