Medizintechnik

Philips schockt Investoren mit Gewinneinbruch

Beim Medizintechnikkonzern Philips häufen sich die Probleme. Der Rückruf von Millionen defekten Beatmungsgeräten wird teurer als gedacht, und die Schwierigkeiten in der Beschaffung nehmen zu.

Philips schockt Investoren mit Gewinneinbruch

hek Frankfurt

Fehlende Elektronikteile und Qualitätsprobleme bei Beatmungsgeräten setzen dem Medizintechnikkonzern Philips stärker als erwartet zu. Im vierten Quartal ist der um Sondereinflüsse bereinigte Ertrag vor Zinsen, Steuern und Goodwillabschreibungen (Ebita) auf 650 Mill. Euro eingebrochen, teilt das niederländische Unternehmen im Vorgriff auf die Veröffentlichung der Jahreszahlen am 24. Januar mit. Das ist ein Rückgang um 43% im Vergleich zur Vorjahreszeit. Analysten hatten im Schnitt mit 838 Mill. Euro operativem Gewinn gerechnet.

Auch der Umsatz ist hinter der Planung zurückgeblieben. Philips verbuchte im Quartal 4,9 Mrd. Euro Erlöse, was 350 Mill. Euro unter den eigenen Erwartungen und in vergleichbarer Rechnung 10% unter dem Vorjahreswert liegt. Analysten hatten 5,164 Mrd. Euro Quartalsumsatz auf dem Zettel. Die operative Marge stürzte von 19% im Vorjahreszeitraum auf 13% der Erlöse ab.

Ins Kontor schlägt die Rückrufaktion für schadhafte Schlaf- und Beatmungsgeräte, die zusätzliche Rückstellungen erfordert. Der Konkurrent von Siemens Healthineers geht nun davon aus, dass 5,2 Millionen Geräte weltweit saniert werden müssen. Bisher waren Analysten von 3,5 Millionen Apparaten ausgegangen. Hinzu kommen gestiegene Lieferkosten, so dass eine zusätzliche Rückstellung für Vor-Ort-Aktionen von 225 Mill. Euro erforderlich ist. Damit steigt die Belastung von 500 Mill. auf 725 Mill. Euro. Kosten für Rechtsstreitigkeiten und möglichen Schadenersatz sind in dem Betrag nicht enthalten.

Bis heute hat Philips nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Reparatursets und Ersatzgeräte hergestellt. Davon wurden 700 000 an Kunden ausgeliefert. Grund für den Rückruf ist ein zerfallender Schaumstoff, dessen Teilchen als möglicherweise toxisch oder krebserregend gelten. Unter den Klägern befinden sich Patienten, die behaupten, dass ihre Krebserkrankung auf die Verwendung der Philips-Geräte zurückgeht.

Aktienkurs stürzt ab

Investoren reagierten entsetzt. Die im Euro Stoxx 50 vertretene Aktie stürzte am Mittwoch im Handelsverlauf um 15% ab. Seit April, als die Probleme mit den Beatmungsgeräten bekannt wurden, ist die Notierung um rund 40% abgesackt. Die Eckdaten für das vierte Quartal seien schlimmer als befürchtet, kommentiert die britische Bank Barclays. Bei der US-Bank J.P. Morgan ist von einer massiven Gewinnwarnung die Rede, das bereinigte Ebita liege um 22% unter der ohnehin schon gesunkenen Konsensschätzung. Es seien zwar schwache Kennziffern für das vierte Quartal erwartet worden, das Ausmaß habe jedoch überrascht, so das Analysehaus Jefferies.

Den gesamten Sonderaufwand im Jahresschlussviertel veranschlagt Philips auf 420 Mill. Euro, 315 Mill. Euro mehr als bisher prognostiziert. Neben dem Geräterückruf schlägt eine Rückstellung für „Qualitätsmaßnahmen und andere Angelegenheiten im Bereich Verbundene Pflege“ durch, wie aus der Mitteilung hervorgeht.

CEO Frans van Houten rechnet damit, dass der Rückruf im vierten Quartal 2022 abgeschlossen wird. Weitere Rückstellungen für Instandsetzung und Rechtsstreitigkeiten seien nicht ausgeschlossen. Ermutigend seien die im Dezember veröffentlichten Testergebnisse für Geräte der ersten Generation, doch seien viele weitere umfassende Untersuchungen zu möglichen gesundheitlichen Risiken notwendig, so der Firmenchef.

Rekordauftragsbestand

Zuversichtlicher äußert sich Philips zur Auftragslage. Im vierten Quartal sei der vergleichbare Bestelleingang um 4% gestiegen, angetrieben vom zweistelligen Wachstum im Segment Diagnose und Behandlung. Für das Gesamtjahr ergibt sich eine Zunahme von ebenfalls 4%. Van Houten spricht von einer weiter guten Nachfrage, die zu einem Rekordauftragsbestand führe. Allerdings sei man in allen Geschäftsbereichen mit „deutlich verschärften Problemen in der globalen Lieferkette“ konfrontiert. Zusätzlich verschöben Kunden Geräteinstallationen in Krankenhäusern, was vor allem den Belastungen in den Kliniken durch die Pandemie geschuldet ist. Die enormen Auswirkungen der Corona-Pandemie im Winterquartal habe man so nicht erwartet, räumt der CEO vor Analysten ein.

Das um Sondereinflüsse bereinigte Jahres-Ebita veranschlagt Philips auf 2,1 Mrd. Euro, dem ein Vorjahresergebnis von 2,57 Mrd. Euro gegenübersteht. Das entspricht einer Marge von 12% (2020: 13,2%). Damit wird der im Oktober gesenkte Jahresausblick verfehlt. Damals hatte das Management noch eine leichte Verbesserung der adjustierten Ebita-Marge in Aussicht gestellt, nachdem zuvor eine Ausweitung um 60 Basispunkte und anfangs von 60 bis 80 Basispunkten angepeilt wurde.

Den Jahresumsatz siedelt Philips bei 17,2 Mrd. Euro an, auf vergleichbarer Basis ein Rückgang um 1% zu 2020. Lieferkettenprobleme und Rückrufaktion hätten den Umsatz um 5 Prozentpunkte gedrückt. Im Oktober hatte Philips das vergleichbare Erlöswachstum im niedrigen statt zuvor im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich angesiedelt.

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