Prognosen liegen häufiger daneben

EY: Dax-Konzerne besonders unzuverlässig - Viele Vorstände schauen zunächst zu konservativ nach vorn

Prognosen liegen häufiger daneben

wb Frankfurt – Die Schwankungen auf den Absatz- und Finanzmärkten führen dazu, dass mehr deutsche Unternehmen ihre Umsatz- oder Gewinnprognosen nach unten korrigieren müssen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres gab es 26 Gewinn- oder Umsatzwarnungen. Zum Vergleich: In den ersten sechs Monaten 2011 waren es gerade zwölf derartiger Warnungen.Besonders häufig enttäuschten Handel und Chemie. Jedes vierte Unternehmen aus diesen Branchen signalisierte 2016, dass die Ertragsansage nicht zu halten ist. Auf der anderen Seite übertrafen im ersten Halbjahr aber auch viele Unternehmen ihre ursprüngliche Guidance: 43 sogenannte Gewinn- oder Umsatzerwartungen wurden nach oben angepasst. Das ist zwar deutlich weniger als in der Vorjahreszeit, als 61 derartige Korrekturen herauskamen, aber erheblich mehr als in der ersten Halbzeit 2014, als es nur neun gab.Das sind Ergebnisse einer Erhebung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die sich die 305 Unternehmen im Prime Standard angeschaut hat. Im Vergleich der Indizes erweisen sich die Prognosen im Dax als besonders unzuverlässig: 13 Korrekturen kamen bis Ende Juni von den 30 Emittenten heraus. In acht Fällen korrigierten sie ihre Erwartungen nach oben, in fünf nach unten. Zu optimistischDie wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen hinterlassen zunehmend Spuren im operativen Geschäft. Zudem führte der starke Euro im ersten Halbjahr bei stark internationalisierten Unternehmen zu kräftigen Einbußen aufgrund von negativen Währungseffekten. “Entsprechend mussten zahlreiche Unternehmen ihre vielfach ohnehin nicht allzu optimistischen Ziele nach unten korrigieren”, kommentiert Marc Förstemann, EY-Partner in der Restrukturierungsberatung. Andererseits haben zahlreiche Vorstände zu konservativ in die Zukunft geschaut.Laut Martin Steinbach, Leiter IPO and Listing Services von EY sieht den Trend zu immer mehr Prognosekorrekturen gehen. “Angesichts eines extrem volatilen Umfelds schaffen es die Unternehmen vielfach nicht, ihre Prognosen tatsächlich einzuhalten. Einige sind zu Jahresbeginn zu vorsichtig, andere werden im Verlauf von der schwachen Marktentwicklung überrascht.” 2015 hatten 44 % der im Prime Standard gelisteten Unternehmen mindestens einmal ihre eigene Ansage kassiert. Fürs laufende Jahr rechnet Steinbach mit einem ähnlich hohen Anteil. Üblicherweise kommt das Gros der Gewinnwarnungen oder -erwartungen im zweiten Semester. “Strafe” fällt härter ausUnterm Strich überwogen im ersten Halbjahr noch die positiven Prognosekorrekturen, doch deutete sich zuletzt womöglich eine Wende an. Während im ersten Quartal 26 Gewinnerwartungen und nur zehn Gewinnwarnungen publiziert wurden, lagen positive und negative Meldungen im zweiten Quartal mit jeweils elf Meldungen auf gleicher Höhe. Dies könne daran liegen, dass sich die konjunkturellen Aussichten spürbar eingetrübt haben, beobachtet Förstemann: “Brexit-Votum, Währungsturbulenzen, Terrorangst: Immer wieder sorgen Hiobsbotschaften für Verunsicherung.”Im Schnitt sanken die Kurse der betroffenen Unternehmen am Tag der Gewinnwarnung um 6 % und konnten sich auch in der Folgewoche nicht wieder erholen. Im Gegenteil: Eine Woche nach Bekanntgabe lag der Aktienkurs im Durchschnitt um 8 % niedriger als vor der Ad-hoc-Meldung. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Gewinnprognosen ankündigten, führte das im Schnitt zu einem unmittelbaren Kursanstieg um 5 %, der allerdings sieben Tage später auf 4 % schrumpfte. Gewinnwarnungen werden von Investoren stärker “bestraft”, als Anhebungen der Prognosen “belohnt” werden, beobachtet Steinbach.Dass Unternehmen immer häufiger ihre Ziele verfehlen, führt Förstemann auch auf unzureichende Prognosemodelle zurück: “Viele Unternehmen sind damit überfordert, in ihren Prognosemodellen die komplexen Realitäten abzubilden, etwa Währungsschwankungen, immer komplexere Lieferketten sowie die steigende Bedeutung ausländischer Absatzmärkte und Produktionsstandorte.” Vielfach fehle Unternehmensleitung auch der volle Überblick über die aktuelle Lage.