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Sammelklage gegen Abschluss­prüfer EY steht bevor

In den zahlreichen Schadenersatzforderungen von Kleinanlegern gegen den Wirecard-Abschlussprüfer EY bildet sich eine Sammelklage nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz heraus.

Sammelklage gegen Abschluss­prüfer EY steht bevor

sck München

In den von Einzelaktionären angestrengten Schadenersatzklagen gegen den Wirecard-Wirtschaftsprüfer EY zeichnet sich ein geänderter juristischer Verfahrensverlauf ab. Statt eine Masse von Einzelklagen im Rahmen von Zivilverfahren vor Gericht abzuarbeiten, wird in der Causa EY eine gebündelte Sammelklage gegen den früheren Abschlussprüfer des nach einem Bilanzskandal zusammengebrochenen Zahlungsabwicklers vorbereitet.

Nach Informationen der Börsen-Zeitung liegt dazu ein Vorlagebeschluss des Bayerischen Obersten Landgerichts für die Einleitung gebündelter Klagen gegen EY nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz vor. Dieser Beschluss soll alsbald im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Die Entscheidung basiert auf einem Antrag der Anwaltskanzlei Tilp beim für Zivilsachen zuständigen Landgericht München I. Über diese mögliche Verfahrensänderung berichtete zuvor der Bayerische Rundfunk.

Hauptgrund für diesen Wechsel ist, die Verfahren gegen EY effizienter zu gestalten, um das Landgericht München personell zu entlasten. Ende vorigen Jahres empfahl das Oberlandesgericht München in der Sache bereits Musterverfahrensklagen. Angesichts der sehr hohen Zahl an Parallelverfahren sei dies wohl der geeignetste Weg für eine grundsätzliche Klärung der Vorwürfe, teilte die Justizpressestelle seinerzeit mit. Beim Landgericht München liegen über 1000 Schadenersatzklagen von Anlegern gegen EY vor. Es kämen noch täglich weitere hinzu, sagte das Gericht auf Nachfrage.

Einzelklagen ausgesetzt

Ein Musterverfahren gegen den ehemaligen Wirecard-Abschlussprüfer hat zur Folge, dass die bisherigen Einzelklagen von Aktionären und Investoren ausgesetzt werden. Die Justiz muss nun klären, inwiefern EY an den aufgeflogenen Bilanzmanipulationen, die laut Staatsanwaltschaft München einen Schaden in Milliardenhöhe anrichteten, eine Mitschuld trägt. Für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ist die Sache klar. „Der Skandal um Wirecard hätte früher erkannt werden können, wenn EY seine Aufgaben richtig gemacht hätte“, folgerte SdK-Vorstandsmitglied und Rechtsanwalt Marc Liebscher in einem Pressegespräch im Dezember. Der Jurist hält die Erfolgschancen von geschädigten Wirecard-Kleinaktionären für gut, erfolgreich gegen EY auf Schadenersatz zu klagen. Er sprach sich aber gegen eine Musterverfahrensklage aus, da dieses Verfahren zu lange dauere.

Liebscher bezog sich auf Erkenntnisse des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Er berief sich dabei auf den Untersuchungsbericht des Wirtschaftsprüfers Martin Wambach. Der sogenannte Wambach-Report wirft EY zahlreiche Versäumnisse bei der Prüfung der Wirecard-Bücher vor. EY weist ein Fehlverhalten zurück. Liebscher zufolge haftet EY uneingeschränkt, wenn vor Gericht nachgewiesen werde, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorsätzlich ge­handelt habe. Die allgemeine Haftungsgrenze für Wirtschaftsprüfer von 4 Mill. Euro gelte dann nicht. Darauf habe der Bundesgerichtshof in mehreren Hinweisebeschlüssen, zuletzt im März 2020, hingewiesen.

Ein Vorsatz liege bereits vor, wenn ein Abschlussprüfer seine Aufgaben vernachlässigt habe. EY habe „ins Blaue hinein“ geprüft – das heißt, Angaben testiert, von denen die Gesellschaft wusste, diese nicht genau geprüft zu haben. Dabei geht es um die dubiosen Treuhandkonten von Wirecard für Drittpartnergeschäfte in Asien. Nach Angaben des Sonderprüfers KPMG, des Wirecard-Insolvenzverwalters Michael Jaffé sowie Er­kenntnissen der ermittelnden Staatsanwaltschaft München erwiesen sich die dazu angegebenen 1,9 Mrd. Euro als Luftbuchungen.

Zu Wochenbeginn teilten die Strafermittler mit, gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun und zwei weitere Ex-Spitzenmanager Anklage erhoben zu haben.

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